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Brückenschläge und Schlagworte

Makarska / Rijeka / Maribor

Tatsaechlich breche ich schliesslich aus Mostar auf und es faellt mir leichter als erwartet. Bata und ich nehmen uns zum Abschied in den Arm und er sagt nur schlicht: „Well, you’ll be back!“ – wie er das beim letzten Mal auch schon getan hat. Dieses Mal weiss ich noch nicht, wann das sein wird, das Wiederkommen. Aber ich weiss, dass er recht hat. Majda faehrt mich zum Bahnhof. Eigentlich wollen wir noch einen Kaffee zusammen trinken, aber dann kommt mein Bus frueher als erwartet und alles geht Hals ueber Kopf. Eine kurze Umarmung, ein schnelles Dankeschoen. Sie weiss ja auch ohne viele Worte, wieviel mir Mostar bedeutet und wie gerne ich dort bin.

Der Bus nach Makarska ist voellig ueberfuellt, an einem Samstag wollen alle ans Meer. Wir verlassen Bosniens sanfte gruene Huegel und erreichen die kargeren, wilderen Berge Kroatiens – und schliesslich faellt mein Blick wieder auf die Adria. Wir fahren ein ganzes Stueck die Kuestenstrasse entlang. Sie ist zauberhaft, waeren da nicht nahe jeder noch so kleinen Siedlung voellig ueberfuellte Straende. Ich erreiche das Hostel ohne Probleme und mache mich gleich auf den Weg zum Strand. Ich finde kaum einen Platz um mein Handtuch abzulegen, ich will es ja noch nicht einmal ausbreiten, aber die Menschen liegen dort dicht an dicht, es finden sich kaum ein paar Quadratzentimeter freie Flaeche. Aber ich muss doch kurz ins Wasser springen. Das tue ich dann auch, und es ist so warm, dass es eigentlich gar nicht erfrischend ist. Ich bin ja jetzt das 10 Grad kalte Wasser der Neretva gewoehnt. Seltsam, denke ich, dass fuer die meisten Menschen an diesem Strand diese Situation das Herzstueck ihres Urlaubs ausmacht. Mir kommt sie im Kontext meiner Reise seltsam deplaziert vor. Makarska ist ein Ort fuer Touristen, kein Ort fuer Reisende.
Ich laufe, noch nass vom Salzwasser, zum Ortskern. Der ist nun wieder wirklich entzueckend, und auch nicht so ueberfuellt, wer weiss wo die Touristen alle zum Abendessen hingehen. Ich finde direkt am Marktplatz ein kleines Buchcafe. Dort sitze ich, trinke Cappuccino und schaue mir den hellen Markt mit den vielen Gebaeuden aus weissem Stein an, der so typisch dalmatinisch ist, dass ich mich in Gedanken an den Beginn meiner Reise verliere – Zadar, Šibenik, Split und Vis, sie ziehen vor meinem inneren Auge vorbei und ich kann nicht glauben, dass das erst oder schon drei Monate her ist.
Den naechsten Tag verbringe ich etwas abseits der schlimmsten Fuelle am immer noch reichlich gut besuchten Strand. Abends kommt Stu aus Schottland im Hostel an, die ich in Mostar kennengelernt habe. Es ist schoen, weiter Gesellschaft zu haben. Am Tag darauf machen wir eine Bootstour nach Brač und Hvar. Es gibt viel kostenlosen Alkohol, Musik aus den Neunzigern – das ganze Boot tanzt, sicher 100 Leute -, herrliche Ausblicke auf huebsche Staedtchen am Ufer und zweimal Landgang: Einmal in Jelsa auf Hvar und einmal in Bol auf Brač. Auf der Rueckfahrt nach Makarska spielt der Kapitaen „Miljacka“ von Halid Bešlić, dem bosnischen King of Folk – das Lied laeuft immer auf Batas Tagestouren in Mostar. Stu und ich fangen an zu tanzen und ich muss natuerlich mitsingen. Ein Crewmitglied hoert mich, nimmt mich an die Hand und bringt mich ins Kapitaenshaeuschen, wo ich den zweiten Teil des Liedes ins Mikrophon singe. Singen macht mich gluecklich.

Richtig warm werde ich mit Makarska nicht. Stus Gesellschaft macht den Aufenthalt dort zu dem, was er ist – lustig und unbeschwert. Ich bin aber nicht traurig, als ich schliesslich im Nachtbus nach Rijeka sitze. In der Abenddaemmerung fahren wir an Split vorbei. Das Licht taucht die Stadt in ein goldenes Licht. In mir schmilzt etwas. Ich fuehle mich so zuhause in den Laendern des Balkans… Ich komme nachts um 4 in Rijeka an und falle einfach nur bei meinen Couchsurfern auf die Couch und schlafe.
Ich couchsurfe eigentlich mit Nina, aber widrige Umstaende haben Nina selbst, ihren Freund Željko, eine Gruppe von fuenf litauischen Couchsurfern, zwei weitere deutsche und einen aus Israel in das Haus von Ninas Kumpel Martin am Stadtrand verschlagen. Da verbringen wir nun die Tage und Naechte im Garten mit Grill, Gitarre und guten Gespraechen.
Am ersten Tag fragt Nina mich, ob ich Lust habe, Paragliden zu gehen. Ihr Kumpel Davor bietet fuer wenig Geld Tandemspruenge im Učka Gebirge an. Sofort sage ich ja. Ich wollte schon immer paragliden. Davor holt mich und die zwei anderen Deutschen nachmittags ab und faehrt mit uns nach Tribalj. Die Fahrt hoch zum Startplatz ist abenteuerlich, die Strasse steil und schmal, das Auto alt und klapprig. Ovo je Balkan… Davors Gleitschirm ist gelb und orange und wunderschoen. Er schnallt mir den Sitz um und hilft mir mit dem Helm. Anlaufen ueber das Felsgeroell am Berghang, Davor dicht hinter mir. „Run! Run run run!“ Ich bemerke kaum, wie wir abheben, es ist sanft und sicher und ueberhaut nicht gruselig. Und dann fliegen wir. Unter uns breitet sich die Kvarner Kueste aus – Meer und Huegel, blauer Himmel und Wind. Ich habe viel mehr Rausch erwartet, es ist so friedlich und ruhig. Wir werden eins mit der Natur, die uns umgibt und nutzen ihre Gaben – den Wind und die Luftstroeme – ohne ihr weh zu tun. Ein meditativer Sport. Ein aesthetischer Sport. Balsam fuer die Seele. Sogar die Landung ist fast weich, und es fuehlt sich surreal an, dass ich vor wenigen Minuten noch auf ueber 1000 Meter Hoehe durch den Himmel geschwebt bin. Aber auch die Erde fuehlt sich jetzt friedvoller an. Die Bergwiese duftet nach Sommer. Das habe ich auf keinen Fall zum letzten Mal gemacht.
Am Tag darauf holt Roni, mein Couchsurfer von meinem ersten Besuch in Rijeka, mich mit dem Auto ab und wir fahren nach Fužine. Es ist als kaeme ich nach Oesterreich. Suesse kleine Haeuser mit Blumenkaesten an den Fenstern und ein See, an dem wir spazierengehen und uns austauschen ueber alles, was in den letzten Monaten passiert ist. Roni bekommt einen Anruf und sagt: „Jesam ovde sa prijatelicom…“ – „Ich bin hier mit einer Freundin…“ Als ich das letzte Mal da war war ich am Telephon noch eine „Couchsurferica“. Jetzt bin ich eine Freundin. Das macht mich gluecklich.
Spaeter liefert Roni mich in Kostrena am Strand bei der ganzen Gruppe um Nina ab. Die Sonne geht gerade unter, und das Abendlicht verwandelt die Adria in einen Teppich aus blauen, grauen, goldenen, orangenen und gelben Farbtoenen, der immer dunkler wird, bis schliesslich das Mondlicht die Sonne abloest und silberweiss auf dem Wasser tanzt. Ein letztes Mal auf dieser Reise springe ich ins salzige Wasser. Ich fuehle mich frei.

Am naechsten Morgen nehme ich den Zug nach Maribor. Auch hier besuche ich nicht Bekannte, sondern Freunde. Mojca und ich sitzen stundenlang auf ihrem Balkon, trinken Wein, Tilen kommt zu besuch und kocht phantastisches Essen, wir malen mit Oelfarben Bilder, schauen, meine Photos an. Es kommt mir gar nicht so vor, als ob ich erst einmal hier gewesen waere und auch nicht als waeren das damals nur zwei Tage gewesen. Slowenien ist schon wieder sehr aufgeraeumt. Die Leute halten hier am Zebrastreifen fuer Fussgaenger an! Voellig verrueckt! Es ist wohl eine gute Einstimmung auf zuhause. Heute vor vier Monaten bin ich in Berlin in den Zug nach Wien gestiegen. Heute abend steige ich in Maribor in den Zug nach Muenchen. Ich fuehle mich nicht am Ende meiner Reise. Ich fuehle mich in der Mitte des grossen Abenteuers, das Leben heisst.

2 Kommentare

  1. oh weh…soll es das denn nun gewesen sein mit diesem blog???nun-der letzte eintrag ist schon ein wenig anders-ein bisschen vertrauter-so ist das wohl,wenn man nicht mehr die fremde ist ;)ich freue mich sehr dich nun hier bei mir zu haben und auch darüber,dass du noch ein zweites mal fliegen gehen willst…nimmst du mich mit???nachdem mich der balkan noch vor drei monaten so gar nicht interessiert hat merke ich nun,dass es orte gibt,deren geschichten mich schon sehr berührt haben und ich kann mir vorstellen,dich eines tages dorthin zu begleiten-natürlich auf eine völlig andere art des reisens…ICH und hostels,busfahren oder gar couchsurfing???neeeeee ;)hihimariella ich danke dir für diese wunderschöne zeit!!!…und ich hoffe so sehr,dass du noch lange von dieser schönen reise zerren kannst…gaaaanz dicken kuss von deinem julchen*

  2. Liebe Mariella!Ich habe immer mit "großen Kinderaugen" deinen Blog gelesen und mich sehr darüber gefreut wie schön und mitreissend du deine Reise beschrieben hast. Immer, wenn Du ausführlich Deine Eindrücke und Gedanken beschrieben hast, hatte man durch das Lesen das Gefühl etwas mitzureisen!Wahnsinn, dass Du das gemacht hast, diese Reise! Ganz lieben Dank dafür, dass wir durch diesen Blog etwas mit dir reisen und die Welt mitentdecken konnten!! :-)Ganz liebe Grüße,Antje.Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder!

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