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Brückenschläge und Schlagworte

…but you can never leave…

Ich versuche, Mostar zu verlassen. Ich versuche es wirklich. Es ist schwer. Majdas Hostel ist mein Hotel California.

Wir haben zwei Maedchen aus Malaysia im Hostel. Sie kommen spaet am abend an und sind sehr hungrig. Majda erklaert ihnen den Stadtplan und gibt Restaurant-Tipps – wie immer die besten Orte fuer Burek und Čevapi und das legendaere Hindin Han mit dem phantastischen Hummer-Kebab fuer 7 Euro. Eines der beiden Maedchen fragt: „Is the food here all halal?“ Majda sagt: „I will explain you.“ Sie zeiget auf die grosse Strasse, die einst im Krieg die Frontlinie markiert hat. „On this side is all halal…“ – ihre Hand faehrt auf der Karte ueber die Ostseite der Strasse, den bosnischen Teil von Mostar- „… and on this side is not.“ Das ist die Westseite, der kroatische Teil. Es ist bizarr, dass sie nicht einzelne Orte aufzeigen muss, sondern dass die Frage nach halal und nicht halal erneut die Spaltung der Stadt aufzeigt. Als ich in Sarajevo war, hat mein tuerkischer Couchsurfing-Gastgeber Nagy mir erzaehlt, dass er dort nur vegetarisch isst. Er hat Geschichten gehoert, dass kroatische und serbische Restaurantbesitzer manchmal heimlich Schweinefleisch in ihre Čevapi oder ihren Burek geben, um den Moslems eins auszuwischen. Bata sagt: Nichts in diesem Land ist Zufall. Alles ist ein Politikum. Auch das Essen.

Es ist so heiss, dass es fast nicht auszuhalten ist. Majda misst neulich mittags auf ihrem Balkon 47 Grad. Wir verbringen die Tage am Ufer der Neretva und springen ab und zu von einem Felsvorsprung ins Wasser. Es ist so um die 10 Grad warm. Die Stroemung treibt uns ein paar Meter flussabwaerts, wo wir wieder an Land schwimmen und innerhalb von Minuten wieder trocken sind. Ich werde immer brauner, wenn ich wiederkomme werde ich aussehen wie eine Zigeunerin. Stefan hat ein Photo von mir gesehen, auf dem ich ein Kopftuch trage, und es kommentiert mit den Worten: „Ti ćeš nam se vratiti kao prava Bosanka! :)“ – Du wirst uns als echte Bosnierin zurueckkommen. Ich hoffe, dass das zumindest ein bisschen stimmt.
In Novi Sad in Lazars Kueche teilen wir ein Glas Ajvar, eine Art Chutney aus Paprika und Aubergine. Das Glas ist fast leer, Lazar versucht mit dem Loeffel das letzte bisschen herauszukratzen. Ich sage zu ihm: „Just turn the spoon around, the end is more narrow, you will get more stuff out of the glas.“ Er guckt mich fast fassungslos an. „You blend in very well here.“ In Niš im Hostel sitze ich mit der Belegschaft in der Raucherecke. Der Chef wird ans Telephon gerufen und kommt nicht wieder. Seine Zigarette brennt langsam herunter. Ich nehme sie mir und sage: „Vlad won’t finish this, so I might as well.“ Sein Kollege schuettelt den Kopf und sagt: „When you come back to Germany, they will not let you in. They will think you are Serbian.“ In Mostar am Tag bevor ich abreisen will erzaehlt Bata mir von einem Konzert einer lokalen Folk-Band, von der er meint, dass sie mir gut gefallen wuerde. Das Konzert ist erst am Abend darauf. Ich verlaengere meinen Aufenthalt um noch eine Nacht. Bata sagt: „I can drive you there, but not back. But you’re almost local. You just get to know other locals, you know, ‚dje si legendo‘, they will take you home.“ Ich fuehle mich im Lebensgefuehl des Balkans aufgehoben.

Das Konzert findet in einem Freibad in der Naehe von Blagaj statt. Die Band heisst Mostar Sevdah Reunion. Sevdah ist ein tuerkisches Lehnwort im Bosnischen und bedeutet Melancholie. Es handelt sich dabei um eine spezifisch bosnische Form von Folk, die in den anderen Laendern des frueheren Jugoslawien so nicht existiert. Sie nenne Sevdah auch Bosnischen Blues. Die Mostar Sevdah Renunion ist eine Band, die verschiedene Ethnien, Religionen und Altersklassen vereint. Auf der kleinen Buehne unter dem sternenuebersaeten Himmel spielen ein Schlagzeug, zwei Gitarren, ein Bass, ein Akkordeon, eine Klarinette und eine Geige mit dem Saenger, der schon 77 Jahre alt ist und aus Mostar kommt. Wir tanzen bis spaet in die Nacht zu den sehnsuchtsvollen, lebenslustigen Klaengen der Musik. Was fuer ein Abschied von Mostar! Eine Kostprobe gibt es hier.

1 Kommentar

  1. ojoj – geht die Reise wirklich schon dem Ende zu? 🙁 – Ja, stimmt, du wolltest jetzt so ungefähr bei uns vorbeikommen und das schaffst du wohl nicht mehr… :((

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