Ihr glaubt ja nicht, wie viele Dinge ich nicht sehen möchte. Pärchen zum Beispiel, die spazieren gehen und er fummelt ihr dabei pausenlos am Hintern rum. Manche Typen dirigieren ihre Freundinnen sogar mit einem Kniff in den Arsch nach links oder rechts. Ich finde das unzumutbar. Aber führe ich deswegen eine Kampagne gegen die öffentliche Anfasserei von Popos? Nein. Weil es mich nichts angeht, solange das jeweilige Mädel nichts dagegen hat.
Bestimmte Dinge sind natürlich so abstoßend, dass sie tatsächlich geächtet gehören und in der Öffentlichkeit keinen Platz haben sollten. Rassistische Übergriffe. Homophobie. Im Prinzip jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Auch sexuelle Belästigung (Stichwort dickpics). Möchtet Ihr Menstruation wirklich mit diesen Dingen in eine Reihe stellen? Wirklich?!
Bleiben wir von mir aus bei Körperausscheidungen. Neulich sah ich in einem edlen Hamburger Vorort in der Nähe des S-Bahnhofs einen vermutlich überprivilegierten jungen Mann in Ralph Lauren Klamotten, sein iPhone unters Ohr geklemmt, gegen die Wand eines Altenheims pissen. Ihr werdet jetzt sagen: Ja! Eklig! Gehört weg! Oder die vielen vielen Menschen, meistens Männer (#sorrynotsorry), die auf Bürgersteige rotzen. Richtig schön tief durchziehen, möglichst geräuschvoll, und der Blob auf dem Pflaster von tiefgelber Schleimigkeit. Ja! werdet ihr sagen; Weg damit! Aber wisst ihr, wo der Unterschied liegt? Es ist ganz einfach:
Wir können uns aussuchen, wo wir hinspucken und hinpinkeln. Da es sich hierbei um Unannehmlichkeiten handelt, die beide Geschlechter betreffen, hat die Menschheit Wege erfunden, diese möglichst unaufdringlich und hygienisch zu gestalten. Und diese Möglichkeiten kann jeder wahrnehmen, der einen Funken Anstand besitzt.
Wer menstruiert, kann sich aber *nicht* aussuchen, ob und wann und wo geblutet wird. Wir tragen diese Unannehmlichkeit monatlich mit uns herum, wohin wir auch gehen. Und jetzt haltet euch fest: Die Artikel, die diesen Umstand erleichtern sollen, sind als Luxusartikel höher besteuert als Gebrauchsgegenstände. Luxus my ass. Ihr könnt jede menstruierende Person in eurem Umfeld fragen. It ain’t no picnic, Freunde.
Was mich wirklich wütend macht, ist die Tatsache, dass in der Debatte wirklich das Argument „unsexy“ auftaucht. Wer über Menstruation spricht ist unsexy. Das kann im 21. Jahrhundert von aufgeklärten Menschen doch einfach nicht ernsthaft ins Feld geführt werden, bitte? Es ist, als würde man sagen: „Dir wächst ein Bart? Wie unappetitlich. Bitte sprich nicht darüber. Ich bringe dir Rasierklingen mit, wenn ich zufällig sehe, dass deine zur Neige gehen, bin ich nicht großartig und verständnisvoll… Bitte? Du denkst über permanente Haarentfernung nach? Wie ekelhaft bist du denn! Ey, unsexy! Mit dir wird niemals jemand ins Bett gehen!“
Apropos: Wer Tampons kauft, ist verdammt nochmal kein Heiliger ipso facto. Es ist genauso absurd wie für jeden anderen Handschlag im Haushalt exzessiv gelobt werden zu wollen. „Du hast eingekauft und mir etwas mitgebracht, was nur ich brauche? Mein Gott, was bist du für ein ganzer Kerl!“ Seriously?
Es ist ganz einfach. Solange wir noch nicht ausreichend Wege haben, diese Körperfunktion für uns so gesund und angenehm wie möglich zu gestalten – ohne Austrocknen der Schleimhäute, mit ausreichender Sicherheit gegen auslaufendes Blut und mit Tragekomfort, der diesen Namen verdient – gehören auch Menstruationstassen in die Öffentlichkeit. Weil wir uns Annehmlichkeit in diesem Bereich erst erkämpfen müssen. Mit Ekel hat das nichts zu tun. Über neue Möglichkeiten informiert zu werden, erleichtert einer Vielzahl menstruierender Individuen das Leben immens. Jede*r, der*die dadurch ein Stück Lebensqualität erlangt, ist ein riesiger Fortschritt. Wir *müssen* darüber sprechen dürfen. Es ist die positive Seite der Reichweite des Internets, die bei Gott auch ihre Schattenseiten hat.