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Brückenschläge und Schlagworte

Schlagwort: Mediterranean

First Bosphorus Bridge in Istanbul, Turkey

This week brings you an iconic, a well known bridge again. It connects continents – Europe and Asia, Ortaköy and Berlerbeyi – Istanbul and Istanbul.

1 Türkei - Istanbul (1. Bosporus)

This is the first Bosphorus Bridge, or in Turkish Boğaziçi Köprüsü, that spans over Bosphorus strait in the heart of that amazing metropolis that is Istanbul. I have written one of my most emotional blog posts about this city, and I consider it to be one of my places of desire, a true Sehnsuchtsort that my heart always aches for a little bit. Maybe it has spoken to me so much from the very beginning because it has bridges, connections over water, at the very heart of its being.

Ortaköy, from where this picture is taken with a view of Asia, is one of my favourite spots in Istanbul. Not only do they sell delicious Kumpir (essentially a baked potatoe filled with cheese and different salads) underneath the bridge, also it is a lively place that yet lacks the hassle and the hectic tourist masses of the Sultanahmed area with the Blue Mosque and Hagia Sophia. It is beautiful at every time of day with the light in its different shades playing on the water, and it feels a bit magical to be in this almost liminal space that seems to go by different rules than any other – it’s not like the rest of Europe or like the rest of Asia. It is particular and transitional, and funnily that has never made me uneasy, but always calmed me down immensely when I was there. I wish it on every traveller to get to see this place one day.

If you have read My Mission statement, you know why I love bridges. To me they are the most universal symbol of connection, of bringing people together and overcoming anything that may seperate us. I want to present to you pictures of bridges that I really love in places that I really love on my blog every Sunday. If you have a picture of a bridge that you would like to share with my readers as a guest post, feel free to contact me!

Dubrovnik und Korčula

Ein Erlebnis in Dubrovnik habe ich vergessen zu erwähnen, und es ist es wert, erwähnt zu werden, denn es war so anders als alle meine Eindrücke von Tourismus und überfüllten Straßencafes. Ich habe mich in die kleinen Nebenstraßen der nördlichen Altstadt zurückgezogen, die schattiger sind als der Stradun, die große Prachtstraße in der Mitte der Altstadt. Es ist angenehm kühl und es gibt tatsächlich kleine schmale Treppen, auf denen kein Mensch in lautem Englisch die Stille stört. Das genieße ich, und mache mich nur unwillig wieder auf den Weg Richtung Menschenmassen. Da finde ich, und hier hatte ich sowieso noch hingehen wollen, das Museum war photo limited, in dem Kriegsphotograhie ausgestellt wird.
Im Untergeschoss ist eine temporäre Ausstellung zum arabischen Frühling mit eindrucksvollen Bildern aus Libyen, Ägypten, Bahrain und Jemen. Ich suche aber eigentlich nach den Photos aus den Kriegen auf dem Balkan seit 1991. Sie sind oben in einer digitalen Slideshow. Kinder. Weinende Kinder. Schreiende Kinder.  Schlafende Kinder. Tote Kinder. Tote Mütter. Weinende Mütter. Rennende Mütter. Rennende Soldaten. Stolze Soldaten. Lachende Soldaten. Schreiende Soldaten. Soldaten vor brennenden Häusern. Soldaten in Panzern. Soldaten kurz vorm Abfeuern. Soldaten mit Fahnen. Frauen mit Fahnen. Männer mit Fahnen. Kinder mit Fahnen. Der albanischen Fahne. Der jugoslawischen Fahne. Der Fahne des Islam. Zerfetzte Fahnen voller Blut. Menschen voller Blut. Blutige Körperteile. Arme. Gesichter. Beine. Hände.Hände die beten. Menschen die beten. Menschen die weglaufen. Menschen die schießen. Menschen die Gräber ausheben. Die weinen. Die sterben.
Da betet einer vor einem verbeulten Kreuz in einer ausgebombten Kirche.
Da liegt einer ohne Kopf vor seinem Gemüsestand.
Da hat sich einer im Wald aufgehängt.

Verstehen kann ich das alles nicht wirklich.

Es ist Zeit für Leichtigkeit. Ich fahre mit dem Shuttle nach  Korčula. Dort liegen unbeschwerte Tage vor mir. In der kleinen Gasse, die zu unserer Pension führt, sind die Granatäpfel reif, gründe Mandarinen, die innen orange, saftig und lecker sind, hängen von den Sträuchern, und über einem Tor wächst eine Frucht, die von außen aussieht wie eine längliche Aprikose, aber sich weich und hohl anfühlt wie ein Gummiball und innen aussieht wie eine Maracuja. Ulli kommt einen Tag später an, wir gehen Shrimps und Muscheln essen und Wein trinken und  kommen langsam in der heißen Sommersonne und in der reinen Urlaubsstimmung an. Am ersten ganzen Tag wollen wir den Strand suchen – daraus wird eine eher unfreiwillige zweistündige Wanderung nach Lumbarda. Umwege führen uns ins Dickicht am Rand der Schnellstraße, zu inoffiziellen Müllhalden, kleinen Steinhäuschen, kleinen Tomatenfeldern und verlassenen Ruinen mit stylischen Grafitti. Kurz nach dem Ortseingang nach Lumbarda trinken wir Cappucino in der Sonne am Ufer und breiten uns anschließend an einem Steinstrand aus. Ruhe kehrt ein.
Später in der Woche fahren wir mit dem Wassertaxi nach Lumbarda und landen jetzt am offiziellen Strand. Das Wasser scheint mir hier noch klarer und türkiser zu sein, die Sonne noch wärmer und der Sommer noch ewiger. Wir haben zwei deutsche Mädels im Gepäck, die Ulli im Zug kennengelernt hat und die zufällig in der gleichen Pension untergekommen sind. Mit ihnen erkunden wir auch abends die Stadt. Im alten Stadttor steht eine Klapa und singt so herzzerreißend schön, dass ich mich nicht trennen kann. Die Mädels laufen weiter, ich rauche in der Kühle des Tores eine Zigarette und gehe auf in den Klängen der dalmatinischen Musik.

So fließen die Tage dahin mit Sonne, Strand, Gesprächen und Lektüre weniger anspruchsvoller Bücher. Ich merke jetzt, wie wichtig das war. Als ich schließlich auf die Fähre nach Split steige, bin ich froh, dass noch sechs Stunden Sonne, Wind und Wasser auf mich warten, bis ich in Split ankomme und mich der Nachtzug wieder Richtung Norden und Richtung Alltagsrealtität bringt.

Trebinje und Dubrovnik

Am naechsten Tag fahre ich mit dem Bus nach Trebinje. Oestlich von Sarajevo beginnt fast sofort eine wunderbare Landschaft – hier sind sie, die gruenen Huegel Bosniens, die ich im Herzen getragen habe. Enge Schluchten, weite Taeler, kleine Staedtchen mit Moscheen oder orthodoxen Kirchen praegen die Landschaft, ich fahre durch die Republika Srpska, man sieht es spaetestens daran, dass die Strassenschilder zum grossen Teil nur in Kyrilliza sind.
Am spaeten Nachmittag erreiche ich Trebinje im suedlichsten Teil der Hercegovina. Meine Couchsurfing-Gastgeberin holt mich an der Bushaltestelle – vielmehr: dem Parkplatz, auf dem der Bus haelt – ab. Sie ist eine deutsche Freiwillige, die hier fuer ein Jahr in einer Einrichtung fuer Behinderte arbeitet. Nach einem kurzen Schnack breche ich gleich wieder auf in die Stadt.

Auf der schoenen Bruecke ueber die Trebisnica schaue ich ins klare Wasser und geniesse die Abendsonne. Neben mir bleibt ein Passant stehen und sagt etwas zu mir, ich verstehe ihn nicht und sage auf bosnisch, dass ich die Sprache nicht kann, und er fragt zurueck, welche Sprache ich denn kann. Deutsch, sage ich, und er antwortet, dass er aus Villingen-Schwenningen kommt. Ausgerechnet, da muss ich schon lachen. Er sei vor vielen Jahren dorthin gegangen als Gastarbeiter und besuche jetzt als Fruehrentner ueber den Sommer seinen Bruder. Ueberhaupt nicht aufdringlich, einfach nur sehr nett und lustig ist das Gespraech, und nach einigen Minuten mache ich mich dann auf den Weg weiter in die Altstadt.
Sie ist klein, schattig, gruen und wunderschoen. Ohne richtig erklaeren zu koennen, warum, erinnern mich die Gebaeude gleichermassen an kroatische Kuestenstaedte und an die anderen mir bekannten Orte in der Hercegovina. Eigentlich muesste ja hier der serbische Einfluss groesser sein. Ueberall die weissen alten kuehlen Steine, und viele viele Baeume. Ich habe den Eindruck, dass hier Palmen, Kastanien und Zypressen nebeneinander wachsen, eine lustige Kombination. Die Kastanien sind vor allem dominant auf dem huebschen Trg Slobode, der Freiheitsplatz. Ich setze mich auf eine Bank und schaue die froehliche Lebendigkeit um mich herum an. Der Platz ist groesser und offener als ich es aus Mostar oder Sarajevo kenne, dadurch hat er nicht die kuschelige Gemuetlichkeit dieser Staedte, aber die Weite, die hier herrscht, ist angenehm, und unter dem Schatten der maechtigen alten Baeume vergisst man die Hitze. Ein Vater spielt mit seinem vielleicht drei Jahre alten Sohn Fussball. Ich strahle den kleinen Jungen an. Der Vater versucht auch mit mir zu reden, immerhin kann ich ganz kurz auf bosnisch bzw. hier heisst das wohl serbisch erklaeren, wo ich herkomme und dass ich zum Urlaubmachen hier bin. Sehr offen sind die Leute hier.
Ich laufe zum Stadtpark hinueber. Ueberall stehen Denkmaeler von Jovan Ducic, dem wichtigsten Sohn der Stadt – ein serbischer Dichter und grosser serbischer Patriot. Im Stadtpark ein denkmal fuer die Opfer des Zweiten Weltkriegs mit sozrealistischer Aesthetik, mir gefaellt das ja.
Zurueck in Richtung des Flusses steht noch ein Denkmal, eine grosse Saeule mit dreieckigem Grundriss, eine Seite ist weiss, eine rot, eine blau, auf dem knubbeligen Sockel steht in kleinen goldenen kyrillischen Buchstaben: Branilacima Trebinja 1991-1996, den Verteidigern von Trebinje. Im ersten Moment frage ich mich kurz, ob die drei Seiten fuer die drei Ethnien stehen, denke dann aber gleich: wohl kaum. Viel zu aufgeklaert. Und dann sehe ich auch, dass das Denkmal so serbisch ist, dass es einen beinahe aufbringen koennte, blauweissrot und christlich. An den Ecken des Sockels laeuft Wasser aus dem Stein, als wuerde er weinen. Die Saeule steht vor einer Mauer, oben auf der Mauer steht ein kleines orthodoxes Kreuz, vor der Mauer stehen sechs schwarze Granittafeln mit den Namen der Toten, einige sind gerade 20 Jahre alt geworden. Die Sonne geht langsam ueber der selbst aus der Ferne so kitschigen orthodoxen Kirche auf dem Huegel ueber der Stadt unter, die Luft wird rosa flimmernd und es ist sehr friedlich. Ich bin sehr froh, dass ich hergekommen bin.

Am naechsten Tag fahre ich morgens mit dem Bus nach Dubrovnik. Ich wollte letztes Jahr so oft herfahren, ich kann gar nicht glauben, dass es dieses Mal klappen soll. Der Busfahrer kommt mir bekannt vor. Ich habe kurz den Eindruck, es koennte derjenige sein, der mich letztes Jahr von Split nach Mostar gefahren hat und mit mir was trinken gehen wollte, dieser hier ist jedenfalls auch kurz davor mir ein aehnliches Angebot zu machen, laesst mich aber dann doch in Ruhe. Im Bus sitzt ausser mir nur ein aelterer Herr. An der Grenze werden wir ewig aufgehalten, weil mein Mitpassagier Medikamente dabei hat, die angeblich in Kroatien verboten sind. Ich halte das fuer eine Massnahme der Grenzer gegen Langeweile, an diesem uebergang passiert bestimmt nie was Spannendes. Dafuer ist der Blick auf die Adria geradezu atemberaubend.

In Dubrovnik muss man vom Busbahnhof mit dem Stadtbus zur Altstadt fahren. Voellig erschoepft komme ich im Hostel an, die Stadt ist schon auf den ersten Blick wunderschoen, aber fuerchterlich ueberfuellt. Ich liege wieder einen Tag flach, irgendwie habe ich mich ein bisschen uebernommen. Am naechsten Tag gehe ich morgens auf den kleinen Markt und es riecht so gut nach Lavendel. Ueberall wird er in kleinen dekorativen Saeckchen verkauft. Ich bleibe stehen und schnuppere in die Luft. Sofort sagt ein Verkaeufer: „You want? My wife make! Good price!“ Ich schaue mir seine Ware kaum einen Bruchteil von einer Sekunde an, da hat er schon die Plastiktuete in der Hand, in die er meinen Einkauf packen will. Sofort suche ich das Weite – aus Prinzip. Ich schaele mich durch die Massen von Tourgruppen mit ihren Reiseleitern, die Regenschirme oder Schilder hochhalten, damit sich die Gruppe nicht verliert. Unter den Arkaden  vor der Orlando-Statue steht eine Musikgruppe – eine junge Frau mit Geige und zwei Maenner mit Gitarre und einer wunderschoenen Querfloete aus schwarzem Holz. Sie spielen barocke Musik, die wunderbar zu der Stadtkulisse passt. Ich setzte mich hinter die Musiker auf den kalten weissen Stein in den Schatten und finde etwas von dem Zauber, der diese Stadt auszeichnet und dessen Ruf ihr vorauseilt. Das Stueck ist zu Ende und es ist, als gaebe es ein lautes Knacken oder das Zersplittern von Glas in meinem Kopf – die Musiker spielen Memories aus Cats, kitschiger geht es kaum. Sicherlich muessen sie die Beduerfnisse der Touristen bedienen, aber mir kommt Dubrovnik in diesem Moment vor wie Disneyland. Ein Spielplatz fuer Erwachsene, und ein Klischee. Sehnsuchtsvoll denke ich an die dalmatinischen Staedte, die ich letztes Jahr ausserhalb der Saison besucht habe. Im April muss es hier wunderbar sein. Weiss die Steine, rot die Daecher, maechtige Stadtmauern und eine fluechtige Erinnerung an Bombennaechte in den Neunzigerjahren – ich schaffe es nicht, das alles aus dem Sumpf von ueberteuerten Restaurants und Unterkuenften, kitschigen Souvenirs und aufdringlichen Verkaeufern herauszuholen. Es bleibt eine vage Ahnung von der Faszination, die Dubrovnik auf viele Besucher ausuebt.
Die Tage in Dubrovnik fliegen auf diese Weise ein bisschen an mir vorbei, ich kann mich nicht ganz auf die Stadt einlassen, ob das an meiner Gesundheit liegt oder nur daran, dass es mir einfach zu touristisch ist, kann ich nicht sagen. Auf dem Weg zum Tourist Office, das mir meinen Shuttle nach Korcula stellt, freue ich mich wahnsinnig auf Ulli und auf ruhige Inseltage.

Kreta

Aufstehen um 3 Uhr nachts. Taxi zum Flughafen um 4. Für diese Reiseplanung sind eindeutig meine Eltern verantwortlich. Es ist noch stockduster, als wir – das sind meine Eltern, meine Schwester Malaika und ich – das Abflugterminal erreichen. Nach dem Check-In haben wir noch viel Zeit. Ich suche einen Raucherbereich und finde einen vielleicht sechs Quadratmeter großen Glaskasten. Von außen sehen die Raucher darin aus wie Fische in einem Aquarium. Von innen ist es eine ganz fidele Gesellschaft, die sich hier versammelt hat. Ein Mann mittleren Alters von sicherlich 1,95m Körpergröße betritt den Glaswürfel kurz nach mir, und der Unterhaltungsfaktor steigt schlagartig. Er erklärt der ganzen Mannschaft mit einem südeuropäischen Akzent – italienisch vielleicht? – im Brustton der Überzeugung, dass wir Raucher mit der Tabaksteuer den Terrorkampf finanzieren und außerdem für die Rettung der deutschen Wirtschat verantwortlich sind, weil wir früher sterben und den Staat daher keine Rente kosten. Die Begegnung hebt meine Laune enorm, die Müdigkeit weicht einem stillen Amüsement und der Vorfreude auf Griechenland.
In Heraklion angekommen wird mir meine ambivalente Einstellung zum Fliegen klar. Ich mag das seltsame Ziehen im Bauch, wenn der Flieger abhebt. Mir ist immer, als bliebe ein Stück von mir am Boden, und ich stelle mir gerne vor, dass ich das zurücklasse, was mich gerade belastet. Mich fasziniert es, wenn ich aus dem Fenster schaue und Wolken nicht über mir, sondern unter mir sehe. Aber ich mag das Ankommen nicht. Es ist mir zu schnell, zu plötzlich. Mit Bus und Bahn kann ich erfassen, wie ich eine Distanz zurücklege. Ich bringe Abstand zwischen mich und den Ort, von dem ich aufgebrochen bin. Wenn ich in ein Flugzeug steige, verbringe ich nur ein paar Stunden in einem hermetisch abgeriegelten Raum und bin dann auf einmal da wo ich hin will, in der Regel ganz wo anders. Das überfordert mich ein bisschen. Ich habe jedoch hier in Heraklion gegen einen massiven Unterschied zum verregneten Hamburg nichts einzuwenden: Die Sonne scheint und es ist geradezu brüllend heiß. Am Busbahnhof ziehe ich mir die Jeans aus, die ich unter meinem Rock getragen habe.

Über Vrisses fahren wir mit dem Bus nach Chora Sfakion. Weiße und lila Bougainvilleas fallen ausladend von Balkons und Flachdächern an Häuserwänden herunter, um sich auf dem staubigen Boden auszubreiten wie Teppiche. Am diesigen Horizont liegen die Berge wie voreinandergeschichtet in schwarzen Silhouetten. Sie sehen aus wie das Titelbild zu einem Phantasy-Roman. Endlich das Meer – weit und blau, wie es nur das Mittelmeer ist. Von Chora Sfakion an der Südküste Kretas nehmen wir die Fähre nach Loutro.

Wir sind in einer entzückenden Pension untergekommen, in der meine Eltern schon einmal vor zwei Jahren waren. Sie liegt an demjenigen Ende der Bucht, die am weitesten vom Fähranleger entfernt ist. Wir stapfen die Uferpromenade entlang und laufen dabei quasi durch jedes einzelne Restaurant in dem kleinen Örtchen hindurch. In Loutro gibt es keine Straße und keine Autos. Nur weiße Häuser mit blauen Türen und Fensterrahmen kuscheln sich an den Hang, verbunden von Treppen mit unregelmäßig hohen Stufen und kleinen Kopfsteinpflastergässchen. Von unserem Balkon können wir alles überblicken, was es hier gibt. Das ist vor allem: Meer. Auf der Fährfahrt war das Meer auf der Landseite preußisch blau, seewärts war es silberglitzernd. Nun vom Balkon aus ist es zum Strand hin türkis oder dunkelgrün, zum Horizont hin funkelt es rosarot dem Sonnenuntergang entgegen.
Meine Schwester Martina kommt einen Abend später in Loutro an. Nun sind wir komplett. Am Morgen darauf wandern wir zu fünft eine Stunde an der Küste entlang zum Strand von Glyka Nera. Ich wundere mich über seltsame Knollen im Boden, auf die ich ständig aus Versehen drauftrete und die aussehen wie getrocknete Rosenblüten.
Mami erklärt mir, dass es sich dabei um Meerzwiebeln handelt und zeigt mir eine, die schon keimt. Ihr Stengel schnellt ehrgeizig empor und sieht mit seiner lustigen Spitze aus wie ein kleines Minarett. Am Weg wächst auch Lavendel, den ich zwischen den Fingern zerreibe. Ich muss an Piran in Slowenien denken, wo der Duft von frischer Pfefferminze überall durch die kleinen Straßen zog. Abgesehen von dieser spärlichen Vegetation ist die Landschaft ausgesprochen karg. Die Steilküste ragt abweisend und graubraun neben uns gen Himmel. Umso intensiver ist die Farbe des Meeres.
Glyka Nera bedeutet Süßes Wasser. Hier fließen kalte Süßwasserquellen ins Mittelmeer, und wenn ich schwimmen gehe, werde ich immer wieder unvorbereitet von kalten Strömungen erfasst, die ein Stück unter der Wasseroberfläche ihr Unwesen treiben. Ich lese wie eine Wahnsinnige, trinke nachmittags einen Frappé in dem kleinen Strandcafé, unterhalte mich zwischendurch ein bisschen mit meinen Schwestern und schaue auch einmal einfach nur auf das Meer und lasse meine Gedanken schweifen. Ich war schon einmal mit meiner Familie auf Kreta, 1994. Hier mit allen am Strand zu liegen kommt mir so vertraut vor, dass ich versucht bin zu denken, es hätte sich fast nichts verändert. Meine Haare locken sich viel mehr als gewöhnlich, das liegt am Salzwasser. Sie fallen mir widerspenstig ins Gesicht. Meine Haut ist braun und duftet nach Salz und Sonnencreme. Familienurlaub wie immer. Aber ganz anders.
Morgens frühstücken wir auf dem Balkon griechischen Joghurt mit Honig und Tomatenbrot mit Feta. Abends gehen wir an der Uferpromenade essen. Wir bestellen jedes Mal vorweg einen Choriatiki (griechischen Salat aus Gurke, Tomate, Paprika, Oliven und Feta-Käse), einen Tzatiki, einmal Dakos (eine Art griechische Bruschetta: Tomate auf doppelt gebackenem harten Brot mit Fetakäse) und einen Saganaki (gebackenen Fetakäse) und hinterher verschiedene Hauptgerichte. Jeder isst bei jedem mit.
Wir wandern durch die Imbros-Schlucht. Da ein leichter Wind weht und die Felswände viel Schatten spenden, ist das ein herrliches Erlebnis. Das Gestein ist lustig gemustert, unterschiedlich farbige Schichten malen Streifen auf die Steine, als hätte jemand dort nachgeholfen. Hier blühen auch die Meerzwiebeln schon. Ihre weißen Blütenkerzen erinnern sehen bescheiden und schüchtern aus. Am Grunde der Schlucht gibt es auch immer wieder Bäume, der Weg ist deutlich abwechslungsreicher als der nach Glyka Nera. Man kann deutlich sehen, dass man in einem Flussbett wandert, mächtige Wackersteine lösen kleine Kiesel ab und ich stelle mir vor, wie hier ein fröhlicher Gebirgsbach zu einem reißenden Strom wird und sich seinen Weg bahnt ohne Rücksicht auf Verluste. Mitunter liegt ein Baumstamm quer, ausgetrocknet. Jeder noch so kleine Wassertropfen würde vermutlich gierig von dem toten Holz verschlungen werden, und brennen würde es wie Zunder. Es hat einen eigentümlichen Geruch. Am Ende der Schlucht besteigen wir einen Wagen, der uns nach Chora Sfakion zur Fähre zurückbringt. Wir sitzen auf der Ladefdläche und lassen uns auf der Serpentinen-Straße den Wind um die Nase wehen.
Der Weg nach Marmara gestaltet sich unbequemer. Die Sonne brennt, und der Untergrund ist uneben und muss nicht selten erklettert werden. Malaika und ich entscheiden uns an einer Weggabelung für den vermeintlich einfacheren Weg – sie wegen ihrer Schwangerschaft, ich wegen meines Asthmas. Laut Mami ist es ganz einfach: immer geradeaus und dann sieht man schon den Wanderweg. Wir landen nach einer Weile „immer geradeaus“ am oberen Ende einer steilen Felswand. Wir sind auf den Rand der Aradena-Schlucht gestoßen. Hinunter geht es hier auf keinen Fall, in den Abgrund zu schauen löst einen gewissen Nervenkitzel bei mir aus. Es geht so jäh und radikal nach unten, die Kante ist geradezu scharf. Um die Felsen, auf denen wir stehen, spielt roter Sand, die Schlucht wirkt ungezähmter, wilder als die Imbros-Schlucht. Wir müssen zurück und finden mit ein paar anderen Wanderern gemeinsam den versteckten Wanderweg zurück zum Meeresstrand.
In der Marmara-Bucht – Marmorgestein, weiß und glatt gespült von den Wellen. Der Strand ist schwarz, darauf zu laufen tut an den Füßen weh, weil die Kiesel heiß und unförmig sind. Schwimmt man an der Küste entlang findet man winzige Einbuchtungen, die das Meer ins Gestein geformt haben muss. Wenn Wellen dort anschlagen, hört man nicht nur das Geräusch des Wassers, sondern auch das Klirren von Kieseln, die vom Wasser an den Stein geschleudert werden und mit dem Zurückweichen der Welle langsam wieder Richtung Meeresgrund rieseln. Einzelne Wolken werfen riesige Schattenungetüme auf die Berge der Steilküste.
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Ich muss eine Weile allein sein und spaziere in Loutro zum Fähranleger und darüber hinaus zur kleinen Ruine am Ende der Bucht. Ich bemerke, dass es mir schwerer fällt, zu beobachten, welche Wirkung ein Ort auf mich hat, wenn vertraute Menschen um mich sind, selbst wenn wir nicht reden. Ich sitze dort auf den Felsen und fühle, wie meine gebräunte Haut warm ist von der Sommersonne, genau wie die weißen staubigen Felsen auf denen ich sitze. Wo die Steine nass sind, sind sie schwarz, umspült von Gischt. Der Horizont bildet eine Linie, die gleichzeitig gerade und rund ist. Ein kleines gelbes Kajak treibt als Farbtupfer an mir vorbei. Meine Eltern haben uns beigebracht, solche Orte zu lieben.

Makarska / Rijeka / Maribor

Tatsaechlich breche ich schliesslich aus Mostar auf und es faellt mir leichter als erwartet. Bata und ich nehmen uns zum Abschied in den Arm und er sagt nur schlicht: „Well, you’ll be back!“ – wie er das beim letzten Mal auch schon getan hat. Dieses Mal weiss ich noch nicht, wann das sein wird, das Wiederkommen. Aber ich weiss, dass er recht hat. Majda faehrt mich zum Bahnhof. Eigentlich wollen wir noch einen Kaffee zusammen trinken, aber dann kommt mein Bus frueher als erwartet und alles geht Hals ueber Kopf. Eine kurze Umarmung, ein schnelles Dankeschoen. Sie weiss ja auch ohne viele Worte, wieviel mir Mostar bedeutet und wie gerne ich dort bin.

Der Bus nach Makarska ist voellig ueberfuellt, an einem Samstag wollen alle ans Meer. Wir verlassen Bosniens sanfte gruene Huegel und erreichen die kargeren, wilderen Berge Kroatiens – und schliesslich faellt mein Blick wieder auf die Adria. Wir fahren ein ganzes Stueck die Kuestenstrasse entlang. Sie ist zauberhaft, waeren da nicht nahe jeder noch so kleinen Siedlung voellig ueberfuellte Straende. Ich erreiche das Hostel ohne Probleme und mache mich gleich auf den Weg zum Strand. Ich finde kaum einen Platz um mein Handtuch abzulegen, ich will es ja noch nicht einmal ausbreiten, aber die Menschen liegen dort dicht an dicht, es finden sich kaum ein paar Quadratzentimeter freie Flaeche. Aber ich muss doch kurz ins Wasser springen. Das tue ich dann auch, und es ist so warm, dass es eigentlich gar nicht erfrischend ist. Ich bin ja jetzt das 10 Grad kalte Wasser der Neretva gewoehnt. Seltsam, denke ich, dass fuer die meisten Menschen an diesem Strand diese Situation das Herzstueck ihres Urlaubs ausmacht. Mir kommt sie im Kontext meiner Reise seltsam deplaziert vor. Makarska ist ein Ort fuer Touristen, kein Ort fuer Reisende.
Ich laufe, noch nass vom Salzwasser, zum Ortskern. Der ist nun wieder wirklich entzueckend, und auch nicht so ueberfuellt, wer weiss wo die Touristen alle zum Abendessen hingehen. Ich finde direkt am Marktplatz ein kleines Buchcafe. Dort sitze ich, trinke Cappuccino und schaue mir den hellen Markt mit den vielen Gebaeuden aus weissem Stein an, der so typisch dalmatinisch ist, dass ich mich in Gedanken an den Beginn meiner Reise verliere – Zadar, Šibenik, Split und Vis, sie ziehen vor meinem inneren Auge vorbei und ich kann nicht glauben, dass das erst oder schon drei Monate her ist.
Den naechsten Tag verbringe ich etwas abseits der schlimmsten Fuelle am immer noch reichlich gut besuchten Strand. Abends kommt Stu aus Schottland im Hostel an, die ich in Mostar kennengelernt habe. Es ist schoen, weiter Gesellschaft zu haben. Am Tag darauf machen wir eine Bootstour nach Brač und Hvar. Es gibt viel kostenlosen Alkohol, Musik aus den Neunzigern – das ganze Boot tanzt, sicher 100 Leute -, herrliche Ausblicke auf huebsche Staedtchen am Ufer und zweimal Landgang: Einmal in Jelsa auf Hvar und einmal in Bol auf Brač. Auf der Rueckfahrt nach Makarska spielt der Kapitaen „Miljacka“ von Halid Bešlić, dem bosnischen King of Folk – das Lied laeuft immer auf Batas Tagestouren in Mostar. Stu und ich fangen an zu tanzen und ich muss natuerlich mitsingen. Ein Crewmitglied hoert mich, nimmt mich an die Hand und bringt mich ins Kapitaenshaeuschen, wo ich den zweiten Teil des Liedes ins Mikrophon singe. Singen macht mich gluecklich.

Richtig warm werde ich mit Makarska nicht. Stus Gesellschaft macht den Aufenthalt dort zu dem, was er ist – lustig und unbeschwert. Ich bin aber nicht traurig, als ich schliesslich im Nachtbus nach Rijeka sitze. In der Abenddaemmerung fahren wir an Split vorbei. Das Licht taucht die Stadt in ein goldenes Licht. In mir schmilzt etwas. Ich fuehle mich so zuhause in den Laendern des Balkans… Ich komme nachts um 4 in Rijeka an und falle einfach nur bei meinen Couchsurfern auf die Couch und schlafe.
Ich couchsurfe eigentlich mit Nina, aber widrige Umstaende haben Nina selbst, ihren Freund Željko, eine Gruppe von fuenf litauischen Couchsurfern, zwei weitere deutsche und einen aus Israel in das Haus von Ninas Kumpel Martin am Stadtrand verschlagen. Da verbringen wir nun die Tage und Naechte im Garten mit Grill, Gitarre und guten Gespraechen.
Am ersten Tag fragt Nina mich, ob ich Lust habe, Paragliden zu gehen. Ihr Kumpel Davor bietet fuer wenig Geld Tandemspruenge im Učka Gebirge an. Sofort sage ich ja. Ich wollte schon immer paragliden. Davor holt mich und die zwei anderen Deutschen nachmittags ab und faehrt mit uns nach Tribalj. Die Fahrt hoch zum Startplatz ist abenteuerlich, die Strasse steil und schmal, das Auto alt und klapprig. Ovo je Balkan… Davors Gleitschirm ist gelb und orange und wunderschoen. Er schnallt mir den Sitz um und hilft mir mit dem Helm. Anlaufen ueber das Felsgeroell am Berghang, Davor dicht hinter mir. „Run! Run run run!“ Ich bemerke kaum, wie wir abheben, es ist sanft und sicher und ueberhaut nicht gruselig. Und dann fliegen wir. Unter uns breitet sich die Kvarner Kueste aus – Meer und Huegel, blauer Himmel und Wind. Ich habe viel mehr Rausch erwartet, es ist so friedlich und ruhig. Wir werden eins mit der Natur, die uns umgibt und nutzen ihre Gaben – den Wind und die Luftstroeme – ohne ihr weh zu tun. Ein meditativer Sport. Ein aesthetischer Sport. Balsam fuer die Seele. Sogar die Landung ist fast weich, und es fuehlt sich surreal an, dass ich vor wenigen Minuten noch auf ueber 1000 Meter Hoehe durch den Himmel geschwebt bin. Aber auch die Erde fuehlt sich jetzt friedvoller an. Die Bergwiese duftet nach Sommer. Das habe ich auf keinen Fall zum letzten Mal gemacht.
Am Tag darauf holt Roni, mein Couchsurfer von meinem ersten Besuch in Rijeka, mich mit dem Auto ab und wir fahren nach Fužine. Es ist als kaeme ich nach Oesterreich. Suesse kleine Haeuser mit Blumenkaesten an den Fenstern und ein See, an dem wir spazierengehen und uns austauschen ueber alles, was in den letzten Monaten passiert ist. Roni bekommt einen Anruf und sagt: „Jesam ovde sa prijatelicom…“ – „Ich bin hier mit einer Freundin…“ Als ich das letzte Mal da war war ich am Telephon noch eine „Couchsurferica“. Jetzt bin ich eine Freundin. Das macht mich gluecklich.
Spaeter liefert Roni mich in Kostrena am Strand bei der ganzen Gruppe um Nina ab. Die Sonne geht gerade unter, und das Abendlicht verwandelt die Adria in einen Teppich aus blauen, grauen, goldenen, orangenen und gelben Farbtoenen, der immer dunkler wird, bis schliesslich das Mondlicht die Sonne abloest und silberweiss auf dem Wasser tanzt. Ein letztes Mal auf dieser Reise springe ich ins salzige Wasser. Ich fuehle mich frei.

Am naechsten Morgen nehme ich den Zug nach Maribor. Auch hier besuche ich nicht Bekannte, sondern Freunde. Mojca und ich sitzen stundenlang auf ihrem Balkon, trinken Wein, Tilen kommt zu besuch und kocht phantastisches Essen, wir malen mit Oelfarben Bilder, schauen, meine Photos an. Es kommt mir gar nicht so vor, als ob ich erst einmal hier gewesen waere und auch nicht als waeren das damals nur zwei Tage gewesen. Slowenien ist schon wieder sehr aufgeraeumt. Die Leute halten hier am Zebrastreifen fuer Fussgaenger an! Voellig verrueckt! Es ist wohl eine gute Einstimmung auf zuhause. Heute vor vier Monaten bin ich in Berlin in den Zug nach Wien gestiegen. Heute abend steige ich in Maribor in den Zug nach Muenchen. Ich fuehle mich nicht am Ende meiner Reise. Ich fuehle mich in der Mitte des grossen Abenteuers, das Leben heisst.

Saranda / Ionische Kueste / Korfu / Ohrid

Von Berat aus nehmen Steve und ich in aller Herrgottsfruehe den Bus nach Saranda. Es wird immer heisser und die Landschaft immer karger, deswegen ist die fruehe Stunde kein Nachteil. In Saranda an der Bushaltestelle, die durch kein Schild und keinen Hinweis gekennzeichnet ist und eigentlich nur aus einer grossen Ansammlung von Bussen besteht, stuerzen sich die Leute mit Angeboten fuer Unterkuenfte auf uns. Wir entscheiden uns trotzdem fuer das Hostel, um dort Internet und Reisetipps nutzen zu koennen.

Das Hostel liegt im 8 Stock eines grossen Appartmentblocks mit herrlichem Blick auf die Bucht von Saranda und auf Korfu. Es haelt uns nicht lange dort, wir gehen gleich schwimmen und schlendern durch das Staedtchen. Es ist nicht gerade huebsch, vielmehr kommt es sehr touristisch daher und am Hang stehen tonnenweise halbfertige Gebaeude. Mit dem Fall des Kommunismus musste man auf einem Stueck Land bauen, um es fuer sich in Anspruch zu nehmen. Viele Leute haben damals ein qualitativ minderwertiges Fundament auf den Hang gesetzt und niemals fertig gebaut. Die schiere Menge an Haeuserskeletten steht in krassem Kontrast zu den aufbluehenden Strandbars und hippen Restaurants an der Promenade. Der Tourismus kommt im grossen Schritten auf dieses Land zu.

Ausser uns ist mit Noveed aus den USA nur noch ein weiterer Gast im Hostel, die Saison ist noch nicht richtig losgegangen. Am Morgen fahren wir zu dritt nach Butrint, um die Quote an UNESCO Weltkulturerbe-Staetten hoch zu halten. Die antike Stadt hat roemische, venezianische und osmanische Ruinen zu bieten – ein herrliches Amphitheater, eine Basilika, ein Kastell auf dem Berggipfel. Die Gelder fuer eine vernuenftige Restaurierung fehlen, alles ist ein bisschen ungepflegt. Das kenne ich aus Griechenland anders. Dafuer kenne ich aus Griechenland aber auch, dass man keinen Tempel betreten darf und ueberall nur auf den ausgeschilderten Wegen laufen darf. Hier koennen wir nach Herzenslust herumklettern. Auch das wird sich sicher bald aendern.

 
Auf dem Weg zurueck nach Saranda halten wir in Ksamil, der Strand soll sehr schoen sein – aber es sind uns schon anderswo schoene Straende versprochen worden, die dann nur mittelmaessig waren. Umso groesser ist die Ueberraschung:

Ein traumhafter kleiner Kiesstrand mit netten Restaurants und drei kleine Inseln, die man schwimmend erreichen kann. Das Wasser ist glasklar und von einem hellen tuerkisblau wie es mir noch nie untergekommen ist. Abends machen wir alle drei bei Annette, der das Hostel gehoert, eine Sitzung Akkupunktur – entspannter geht es einfach nicht.

Fuer den naechsten Tag haben Steve und ich ein Auto gemietet und fahren die ionische Kueste hoch. Ein herrlicher Strand jagt den naechsten. Wir springen fast ueberall kurz ins blaue Mittelmeer und machen auf der Kuestenstrasse staendig halt, um die herrliche Landschaft zu photographieren. Kuehe am Strand und Ziegen auf der Hauptstrasse machen das Flair malerisch und urspruenglich, wir finden eine verlassene Festung und essen herrlichen Fisch zum Mittagessen am Strand, es wird einfach immer besser. Das aendert sich auch nicht, als wir nachmittags das uns gesteckte Ziel erreichen: den Strand von Drymades. Der Lonely Planet schickt uns auf eine „dirt road“ – aber die gibt es nicht mehr, alles ist frisch asphaltiert, wir muessen die „dirt road“ um wenige Wochen verpasst haben. Deswegen wird die Idylle, die wir erleben, auch nicht mehr lange anhalten. Wir finden voellig verlassene grosse Buchten mit herrlichen Ausblicken auf die Weiten des Meeres. Wir breiten unsere Schlafsaecke unter einem Felsvorsprung aus, Steve macht Feuer, wir haben eine Flasche Wein, die Sonne geht unter, die Sterne zeigen sich. Es ist definitiv eines der Highlights meiner Reise.

Morgens bringen wir das Auto zurueck nach Saranda und nehmen die Faehre nach Korfu. Die drei Tage, die folgen, sind ein Urlaub vom Urlaub: Strand, Sonne, gutes Essen und das ein oder andere Bier in einem Hostel, dessen Anlage eher an Cluburlaub erinnert. Ich habe diese Art von Entspannung dringend noetig und geniesse es in vollen Zuegen.

Der Abschied von Korfu ist auch der Abschied von Steve, der ueber Athen weiter zu den griechischen Inseln in der Aegeis reist. Ich habe mich sehr an ihn gewoehnt und muss mich nun erstmal wieder ins Alleinsein hineinfinden. Die Fahrt nach Ohrid hilft dabei nicht: Ich soll morgens um halb 6 einen Bus in Saranda nach Korca bekommen, der nicht faehrt. Ein Taxifahrer bringt mich fuer ein horrendes Geld nach Gjirokaster, von wo aus der Bus angeblich fahren soll – das stimmt natuerlich auch nicht. Ich bin fast am Verzweifeln, bekomme dann aber einen Bus in ueber Fier Richtung Tirana, der mich irgendwo in der Wallachei bei einem Furgon (einem Minivan, den die Leute hier privat als Bus betreiben) absetzt, welcher mich wiederum nach Elbasan bringt. Von Elbasan bringt mich ein weiterer Furgon an die Grenze zu Mazedonien. Ich muss ueber die Grenze laufen, das ist ziemlich skurril. Auf der anderen Seite erwische ich wieder ein Taxi nach Ohrid. Ich mache drei Kreuze, als ich endlich ankomme, und gehe erstmal schlafen. Wer die Reise auf der Karte nachschaut, wird die absurde Kurve entdecken, die ich da gefahren bin. Aber was lehrt es mich? Man kommt immer irgendwie an.

Ohrid ist ein wunderschoenes Fleckchen Erde. Von der Festung aus ist der Blick ueber den Ohrid-See, das antike Amphitheater und die zahlreichen Kirchen und Kirchlein unfassbar. Die Kirchen gefallen mir am besten. Sie haben eine ganz eigene Architektur mit vielen Kuppeln und Backstein und sind alle mit wunderbaren Wandmalereien geschmueckt. Fast immer stehen die Heiligenbilder vor dunkelblauem Grund, der einen tiefen, unendlichen Nachthimmel suggeriert.

Die Kirche Sveti Jovan Kaneo ist winzig klein und steht auf einem hohen Kliff ueber dem See. Ich zuende dort zwei Kerzen an und muss ploetzlich, kniend auf dem nackten Steinfussboden, bitterlich weinen. Etwas in meinem tiefsten Innern ist angeruehrt von diesem Ort. Ich klettere ueber die hohe Tuerschwelle aus der Nachtstimmung ins Tageslicht zurueck und vor mir liegt in seiner ganzen Schoenheit der See. Es ist bewoelkt in Ohrid, aber auf dem gegenueberliegenden Ufer ueber Albanien funkelt die Sonne. Dankbarkeit durchflutet mich. Nachmittags gehen wir mit einer Menge anderer Reisender aus dem Hostel schwimmen. Wir klettern unmoegliche Wege in eine kleine geheime Bucht hinunter. Das Wasser ist kalt, aber angenehm.

Es giesst in Stroemen, als ich am naechsten Morgen den Bus zum Kloster Sveti Naum nehme. Der Klosterhof ist von sicherlich um die 15 Pfauen bevoelkert, wie ich lerne symbolisieren sie den byzantinischen Glauben. Ich habe noch nie so gepflegte, stolze Pfauen gesehen. Sie wissen sicher um ihre Schoenheit, jedenfalls machen sie einen dementsprechenden Laerm. Das ist skurril, wenn man in der Klosterkirche steht und die Fresken bewundert. Ich sitze lange in der Exedra der Klosterkirche und denke nach. Ich finde langsam wieder zum Alleinsein zurueck. Mir wird klar, dass es mir in Gesellschaft nicht so vorkam, als wuerde ich mich viel und staendig bewegen, weil es eine Konstante in meinem Reisealltag gab. Jetzt strengt mich die viele Bewegung wieder mehr an, aber sie bringt mich auch zurueck zum kribbelnden Aufgeregtsein, wenn es an einen neuen Ort geht. So hat alles seine Zeit, die Geselligkeit und die Einsamkeit, die Unruhe und die Stille.

Kotor / Budva / Ulcinj / Tirana / Berat

Endlich reisst die Wolkendecke auf, die mich nun seit einer Weile begleitet hat, und es wird sommerlicher. Im Hostel in Kotor treffe ich mehrere Reisende wieder, die ich in Mostar kennen gelernt habe. Zusammen mit einigen Ankoemmlingen aus anderen Richtungen finden wir uns zu einer bunten Runde zusammen, die gemeinsam Kotor und die Straende an der montenegrinischen Kueste erkundet.
Kotor ist eine kleine, gemueliche, traditionellere Ausgabe von Split. An allen drei Tagen, die ich dort bin, kaufe ich auf dem Markt frische Erdbeeren und Joghurt. Wir klettern auf die Festung, ein ziemlicher Gewaltmarsch im warmen Wetter, aber das Picknick oben mit der herrlichen Aussicht ueber die weite Bucht ist den Aufstieg definitiv wert. Wir fahren nach Jaz an den Sandstrand, der nicht haelt, was die Einheimischen in Kotor versprechen, aber die Altstadt von Tivat ist huebsch und die Kuestenstrasse eroeffnet herrliche Landschaften mit wilden gruenbewachsenen Bergen und der ausgedehnten Adria.

Sana aus Kanada hat ein Auto gemietet. Nach zwei Naechten in Kotor fahren wir gemeinsam mit Steve aus Australien nach Budva. Die Stadt gefaellt uns, und spontan beschliessen wir eine Nacht zu bleiben. Abends schauen wir das Championsleague-Finale, kein Mensch spricht Serbisch, es sind nur Auslaender in dem Irish Pub, das das Spiel uebertraegt, aber der Abend ist ausgesprochen unterhaltsam.
Am naechsten Morgen schliesst sich uns noch Chris aus Norwegen an. Gemeinsam fahren wir landeinwaerts zum Skadar-See, aber das Doerfchen, das wir erreichen koennen, ist wenig spektakulaer – was soll’s, der Weg ist das Ziel, denn auf der Fahrt sehen wir wieder wunderschoene landschaftliche Szenerien. Mein staerkster Eindruck von Montenegro ist das schnelle Umschlagen des Wetters. Von einer Minute zur anderen folgt auf strahlenden Sonnenschein und brennende Hitze ein Nieselregen oder gar ein dunkles Gewitter. Insgesamt ist mein kultureller Eindruck eher blass geblieben. Ich komme nicht mit der einheimischen Bevoelkerung in Kontakt, sondern erlebe das Land hauptsaechlich als Touristin. Das ist schade, aber im Moment tut es mir gut, mit anderen Reisenden zusammen zu sein und mich nicht an jedem Ort neu auf einen ortsansaessigen Couchsurfer einzulassen.
Nachmittags erreichen wir Ulcinj. Die Stadt ist deutlich aermer und ungepflegter als Kotor und Budva. Wir bekommen zu viert ein dekadentes Hotelzimmer mi Balkon und Meerblick fuer 7,50 Euro pro Person. Die Adria ist noch kuehl, aber der Strand ist sandig und sauber.

Am naechsten Tag verstauen wir unsere vier Rucksaecke im Kofferraum eines Taxis zum Busbahnhof und erwischen gerade eben so puenktlich einen Bus nach Shkodra in Albanien. Nur aus dem Busfenster bewundern wir die dortige Festung, bevor wir weiterfahren nach Tirana. Schon auf der Fahrt ist einiges anders als in den slavischen Balkanstaaten. Die Albaner sind zweifelsohne das freundlichste und hilfsbereiteste Volk, das mir jemals untergekommen ist. Keiner versteht uns, aber alle wollen helfen. Der Busfahrer lacht sich scheckig ueber uns, sein Gesicht scheint zu sagen: Warum in Gottes Namen ihr hier seid, werde ich gar nicht versuchen zu begreifen – aber ich bin gerne bereit euch den Aufenthalte so angenehm wie moeglich zu machen. In Tirana fragt der Taxifahrer, der ebenfalls kein Wort Englisch spricht, ungefaehr vier verschiedene Passanten nach dem Weg und uebergibt uns schliesslich an einer Strassenecke an einen Unbekannten, der mit uns zum Hostel laeuft und stuermisch fuer uns an der Tuer klingelt.
Wir beginnen die Stadterkundung am Abend auf dem Weg zu einem Restaurant, in dem wir phantastisches albanisches Essen geniessen – viel Kaese und viel Fleisch, ich esse einen gewuerzten Huettenkaese mit Leber, lecker!
Am naechsten Morgen folgen wir dem Stadtrundgang, den der Lonely Planet vorschlaegt. Tirana wirkt auf mich wie eine Kreuzung aus Berlin, Athen und meiner Vorstellung von Damaskus. Auf Speed. Die Stadt ist schnell, kitschig, dreckig, bunt, haesslich und wunderbar. Der Verkehr folgt keinen Regeln und alles geht voellig durcheinander. Ich schmunzle ueber mein Beduerfnis, Ordnung im Chaos zu erkennen. Es fuehrt mir meine westliche Praegung vor Augen.

Nachmittags verabschieden Steve und ich uns von Sana und Chris, die wieder in den Norden wollen. Steve will nach Korfu, unsere Reiserouten ueberschneiden sich also noch eine Weile und wir verstehen uns praechtig. Wir springen in Tirana in ein Taxi und sagen, so macht man das hier, „Autobus Berat“, und der Taxifahrer bringt uns zum Abfahrtsort fuer den Bus nach Berat. Der Busfahrer spricht, Ueberraschung, kein Englisch, aber er bringt uns bei, wie man „danke“ auf albanisch sagt (falim nderit) und steht dann neben uns und telephoniert. Dann gibt er Steve das Telephon. Er hat seinen Sohn angerufen, damit der uns auf englisch erklaeren kann, dass wir Problemen jederzeit den Busfahrer bitten koennen, seinen Sohn zu kontaktieren und auf englisch fuer uns die Lage zu klaeren. Das ist wirklich deutlich mehr Gastfreundlichkeit als irgendjemand erwarten wuerde.
In Berat finden wir das Hostel schneller als jedes andere Hostel auf der Reise. Es ist mitten im schoensten Teil der Stadt gelegen, in einem alten osmanischen Haus, das auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes steht. Im Garten wachsen Granataepfel, Feigen und Kirschen. Das Hostel gehoert einem ganz unglaublich netten Briten und wir sitzen gemuetlich auf Sofas im Garten bis in den Abend.
Am naechsten Morgen stuermen Steve und ich die Festung. Schon um 10 Uhr ist es so heiss, dass es kaum auszuhalten ist. Der Aufstieg ist muehsam auf dem blankpoliertem Kopfsteinpflaster in der brennenden Sonne, ich wickle mir turbanartig mein Tuch um den Kopf. Wir sind umgeben von osmanischen Steinhaeusern. Oben angekommen ist es deutlich kuehler. Ich bin begeistert von der Atmosphaere und freue mich, dass der Tourismus noch nicht nach Albanien gekommen ist. Ich kann mir ein aehnliches Monument auch in Griechenland vorstellen, aber da waere es teuer und ueberlaufen und voll von haesslichen Souvenirlaeden. Wir klettern auf einen steilen Aussichtsturm. Steve vermutet, dass es sich um die Ueberreste eines Minaretts handelt, und er koennte damit durchaus recht haben. Der Blick ueber das weite Tal mit dem fast ausgetrockneten Fluss, das von schneebedeckten Bergen begrenzt wird, ist monumental. In ein paar Jahren wird der Tourismus hier einschlagen wie eine Bombe.

Wieder im Tal besuchen wir die Tekke mit einer herrlichen goldverzierten Holzdecke, in der uns ein unglaublich freundliches Maedchen eine kleine Tour gibt und kein Geld dafuer annehmen will. Wir schlendern auch durch die Markthalle und kaufen Gewuerze zwischen Kaese- und Fleischstaenden. Alle gruessen uns freundlich und haben gute Laune wenn wir „falim nderit“ sagen. Ich mag die Menschen in diesem Land! Ich bin sehr leicht dadurch gluecklich zu machen, dass Leute nett zu mir sind. Morgen geht es in den Sueden des Landes, nach Moeglichkeit an die schoensten Straende. Da der oeffentliche Transport hier eher provisorisch funktioniert, kann ich nicht genau sagen, wo wir landen. Es ist verrueckt, dass mich das gar nicht nervoes macht, im Gegenteil, ich finde es herrlich, mich nicht festlegen zu muessen. Auf Reisen ist es leicht, dem Motto „Carpe Diem“ zu folgen.

Dalmatien

Die spontane Unterkunft bei Marinas Freundin Ana ist ein echter Gluecksgriff. Ich schaue abends mit ihrem Mann Championsleague und es ist sehr entspannt. Am naechsten Morgen nehme ich den Bus in die Innenstadt. Ich kaufe mein Busticket inzwischen schon auf kroatisch am Kiosk. An der Bushaltestelle wartet ausser mir nur noch eine weitere Frau, prompt habe ich wieder eine Gespraechspartnerin. Wir sprechen zwei Drittel deutsch ein Sechstel polnisch ein Sechstel kroatisch, Wahnsinn!
Zadar ist wirklich schoen, die Stadtmauer grenzt ehrwuerdig die Altstadt ein, deren Kirchen, Tempeln, Foren und Saeulen den Besucher sofort darauf stossen, dass er sich hier an einer Staette des Weltkulturerbes befindet. Ich gehe in die Donatuskirche und frage nach Studentenermaessigung, das Maedchen am Verkaufstisch ist selbst Studentin und laesst mich kostenlos in das ueber 1000 Jahre alte Gebaeude. Anschliessend besuche ich den Glockenturm und geniesse einen herrlichen Blick auf Zadar – und komme dort mit dem Ticketverkaeufer ins Schnacken, weil der parallel zum Verkauf Gitarre uebt. Alle Leute scheinen sich ueber ein nettes Gespraech mit einem fremden Menschen zu freuen. Nachmittags treffe ich Ana, Baby und die zwei Hunde zum Kaffeetrinken and der Uferpromenade. Die ist sehr schick und hat eine echte Attraktion zu bieten: eine Seeorgel, die durch die Wellenbewegung Musik spielt und in die Stufen zum Meer eingebaut ist – dort sitzt man dann und hoert das Meer musizieren.
Von Zadar aus geht es nach Šibenik, dort couchsurfe ich wieder. Meine Gastgeberin Sylvia ist Strassenmusikerin und spielt Djembe, und aus Anlass des „Tags der Erde“ hat sie in der Stadt einen Infostand zum Wasser- und Energiesparen organisiert und einen Drum Circle mit 16 Djembespielern. Ich stehe lange mit einer Rassel mit im Kreis und finde es faszinierend, wie der Rhytmus Besitz ergreift von der Bewegung der Hand, die die Rassel schuettelt. Ich gehe fast ganz darin auf und bemerke dann doch einen Widerstand. Ploetzlich ist mir das unangenehm, diese Dynamik, diese Fremdbestimmung durch den Trommelklang. Neben uns fangen zwei Maedchen an, Poi zu spielen – es ist wunderschoen, wie das Feuer um die zwei herumtanzt vor der mittelalterlichen Kulisse Šibeniks.

Morgens nehme ich den Bus nach Split, es regnet und meine Laune ist mittelmaessig. In Split im Hostel aendert sich das schnell. Nun bin ich das erste Mal unter lauter Reisenden, die Hostels in Slowenien waren ja eher unterbelegt. Deswegen ist der Eindruck von Split auch weniger kultureller Natur als eher zwischenmenschlich – hier wird viel gefeiert und gelacht. Die Stadtkulisse dazu ist natuerlich vom Allerfeinsten: schicke Laeden, Galerien, hippe Cafes und Kneipen sind in antiken Gebaeuden untergebracht, roemische Tempel sind zu christlichen Kirchen umfunktioniert. Das Altertum ist hier zweifach erobert: durch die christliche Religion und durch die moderne Gegenwart.

Es schliessen sich zwei Tage Inselurlaub auf Vis an. Die Insel ist noch nicht lange der Oeffentlichkeit zugaenglich, sie wurde bis Ende der 90er Jahre vom Militaer genutzt. Das erklaert die herrliche Landschaft. Ich erklettere mir wieder lauter Wege, die nicht als solche ausgewiesen sind und entdecke auf diese Weise Insellandschaften von paradiesischer Schoenheit und Unberuehrtheit.

Ich bade in einer menschenleeren kleinen Kiesbucht im glasklaren Mittelmeer. Ich sitze auf dem Gipfel eines Inselhuegels, unter mir die ganze Weite der Adria, kein Mensch weit und breit, und singe Janis Joplins „Mercedes Benz“. Ich lese stundenlang in Ivo Andrićs „Na Drini Čuprija“, natuerlich auf Englisch (auf Deutsch heisst es „Die Bruecke ueber die Drina“ und ich kann es nur empfehlen).

Nach Vis will ich eigentlich nach Dubrovnik, aber meine Faehre kommt erst in Split an, nachdem der letzte Zug nach Dubrovnik schon weg ist. Deshalb bleibe ich noch eine Nacht in Split, schmeisse alle meine Plaene um und fahre heute nach Mostar in Bosnien. Dubrovnik wird dann ein Ausflug von Montenegro aus. Spontaneitaet ist alles.

Slowenische Kueste / Rijeka / Zagreb / Plitvička Jezera

Der Weg von Bled an die Kueste steht unter keinem guten Stern. Ich verlaufe mich natuerlich auf dem fruehmorgendlichen Gewaltmarsch zum Bahnhof in Bled und erwische den Zug gerade noch so, schweissgebadet. Das Wetter ist miserabel und die Sicht auf die eigentlich huebsche slowenische Landschaft dementsprechend auch nur halbschoen. In Koper sitze ich kaum im Bus nach Piran, da faengt es an zu hageln in riesigen Koernern. Na, das kann ja was werden!
Aber ich habe ja mehr Glueck als Verstand mit dem Wetter. In Piran ist strahlender Sonnenschein, und die Adria liegt in schoenster Ruhe zu meinen Fuessen, als ich aus dem Bus klettere. Und mein Gott, was fuer eine huebsche Stadt! Sehr italienisch mit ihrer Piazza, den venezianischen Haeuschen und der Hafenanlage, aber eben irgendwie slawisch! Nicht nur die Strassenschilder sind zweisprachig italienisch-slowenisch (ich freue mich an dem herrlichen Ausdruck „Prvomajski trg“ fuer „Platz des ersten Mai“ – Slowenisch ist so praezise!), sondern auch die Werbeplakate fuer den Sparmarkt. Das Hostel ist teuer, aber gut gelegen und sehr sauber und nett, und in den kleinen Gaesschen kann man sich gut verlaufen. Ich schlendere hoch zur Kirche Svet Jurij. Auf dem Weg waechst Pfefferminze, das riecht so gut. Nachmittags trinke ich einen Cappucino auf einem kleinen Platz, da duftet es auch – nach Zigarettenrauch, Wein, Proščut und Kaffee. Die Stadt ist wunderbar, ich koennte hier Wochen verbringen und einfach sitzen und lesen und gucken.

Am naechsten Tag fahre ich nach Koper weiter – nicht so spektakulaer, aber auch sehr niedlich. Nina, meine Gastgeberin dort, ist wieder eine Couchsurferin, wir gehen abends in einem herrlichen Sonnenuntergang an der Hafenpromenade spazieren. Am Morgen darauf fahre ich mit dem Bus nach Izola und laufe immer am Wasser entlang nach Koper zurueck. In der Ferne glitzern wieder schneebedeckte Berge.

Von Koper mache ich mich auf den Weg nach Rijeka. Die Grenzueberschreitung ist diesmal ganz anders – es gibt einen direkten Zug von Pivka nach Rijeka, ich muss also nur einmal umsteigen. Dafuer kommen in Illirska Bistrica und in Šapjane die Kontrolleure und schauen Paesse an. Ich bekomme meinen ersten Stempel und finde das irgendwie alles so ganz gut und richtig. Dann faellt mir auf, wie komisch es ist, dass ich dieses Ritual so verinnerlicht habe und es so viel gewoehnlicher finde als die Grenzueberschreitung zwischen Ungarn und Slowenien, die ohne jede Formalitaet auskommt. Seltsam.

In Rijeka fahre ich mit dem Bus zu meinem neuen Gastgeber Roni. Wir verstehen uns blendend und schnacken gleich mal mehrere Stunden auf seinem Balkon. Abends wollen wir zu einem Let3 Konzert, eine kroatische Band, die unbeschreiblich ist, ich empfehle Kostproben auf YouTube. Leider ist das Event ausverkauft, aber wir gehen sehr nett mit vielen Leuten was trinken und sind spaet zu hause.
Am naechsten Morgen fahren wir mit dem Bus in das Fischerdorf Volosko und laufen von dort nach Opatija. Ueberall ist oesterreich-ungarischer Kitsch und Kurort-Pomp. Es gibt deutsche Touristen in rauen Mengen, die auf den Hotelterassen sonnenbaden – Roni findet es dafuer noch viel zu kalt, aber ich merke auch schon den Sommer! In Opatija genehmigen wir uns ein Eis, um dann mit dem Bus nach Rijeka an den Hafen zu fahren und dort frische Sardellen zu essen – lecker! Ich mag Rijeka sehr, es hat einen rauen Charme, ein bisschen wie Hamburg – muss am Hafen liegen.

Am naechsten Tag fahreich hoch zum Schloss und geniesse den Blick auf die Stadt. Der Himmel ist grau, aber auf dem Weg ins Zentrum reisst die Wolkendecke auf und es gibt wieder Sonnenschein. Den ganzen Nachmittag sitzen Roni und ich auf dem Balkon und diskutieren beim schoensten Adria-Blick ueber Gott und die Welt. Gegen abend kommt mich ein Freund von Roni abholen, der mich im Auto mit nach Zagreb nimmt.

In Zagreb komme ich in einer Couchsurfer-WG unter. Marina tritt mir ihr Bett ab, weil sie ab und zu gerne auf dem Boden schlaeft – ruehrend! Ich habe nur einen Tag um mir die Stadt anzuschauen, viel zu wenig – es ist seit Budapest die erste Stadt, die die Qualitaet einer Metropole hat, und sie ist viel schoener als ich dachte. Auf Marinas Empfehlung hin fahre ich zum Friedhof, der herrliche Arkaden hat. An einem Grab weint ein altes Muetterchen bitterlich. Ich schleiche eine Weile um sie herum, habe dann aber doch das Beduerfnis, sie zu troesten. Ich gehe zu ihr hin und sage: „Ich verstehe leider kein Kroatisch…“ und sie sagt: „Ich bisschen deutsch.“ Sie weint um ihren Sohn und freut sich glaube ich sehr ueber meine Gesellschaft und meine Hand zum Festhalten. Sie zeigt mir die Graeber der deutschen Gefallenen aus dem zweiten Weltkrieg. Fuenf oder sechs grosse Grabfelder.

Wieder in der Stadt geniesse ich das bunte Treiben und freue mich ueber die Entdeckung der ersten orthodoxen Kirche – so schoen, so wahnsinnig bunt und froehlich! Die Kathedrale ist ebenso eine Offenbarung, und die Parkanlagen um das Theater und verschiedene Museen herum allemal auch einen Spaziergang wert. Abends gehen Marina und ich mit ein paar Freunden in einem ausgesprochen alternativen Laden etwas trinken. Marina hat noch einen zweiten Couchsurfer fuer die Nacht, einen japanischen Puppenspieler, der seine Marionette fuer uns tanzen laesst.

Am Morgen fahre ich ganz frueh zum Busbahnhof, weil um halb 8 mein Bus nach Plitvice zu dem beruehmten Nationalpark gehen soll. Der Bus geht dann erst um 9, deswegen kann ich nicht den ganzen Park sehen – aber mit diesem Fleckchen Erde hat der liebe Gott es wirklich extrem gut gemeint! Ich habe in Europa noch kein so schoenes Stueck Natur gesehen. Wasserfaelle, Seen, Waelder, die Sonne, die auf dem Wasser tanzt. Worte reichen hier nicht aus. Es ist wunderschoen.

Von Plitvice fahre ich mit dem Bus nach Zadar. Ich habe hier keine Couchsurfer gefunden, deswegen hat Marina mich, ruehrend!, an eine Freundin vermittelt, bei der ich jetzt die kleine Wohnung bevoelkere, die eigentlich mit Mann, Baby und zwei Hunden schon voll genug ist. Aber die unfassbare Gastfreundschaft, mit der ich ueberall empfangen werde, hoert auch hier nicht auf. Die Leute haben keinen Platz, aber sie teilen ihn mit fremden Menschen. Das ist ein gefundenes Fressen fuer meinen Idealismus. Das Leben ist schoen.