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Brückenschläge und Schlagworte

Schlagwort: world culture heritage (Seite 2 von 4)

Tallinn II – Stadterkundungen mit dem Fahrrad

Um 16 Uhr geht auf dem Harju-Hügel die Fahrradtour los. Unser Guide ist eine ausgesprochen hübsche Studentin namens Epp. Bevor ich mir auf die Zunge beißen kann, habe ich schon nachgefragt: „As in an iPhone?“ Sie lacht: „Yes, like an iPhone App, only spelled with an E.“ „How often do you hear that question?“ grinse ich. „Only every day. It’s ok. I’m your tourist app for this afternoon, ask me anything.“ Ihr Lachen ist so herzlich und ihre Augen so offen und klar, dass wir uns in ihrer Anwesenheit sofort wohlfühlen. Außer Wiebke und mir ist noch ein sympathischer Neuseeländer, Ian, dabei. Wir schwingen uns auf die Räder und rattern über das altstädtische Kopfsteinpflaster in Richtung Wasser.
Unsere erste Station ist ein Denkmal kaum außerhalb der Stadtmauern, das mich an das Denkmal am Platz der Luftbrücke in Berlin erinnert: Ein abgebrochener großer Bogen. Es soll an die gesunkene MS Estonia erinnern, deren Untergang 1994 das schwerste Schiffsunglück der Nachkriegsgeschichte in Europa markiert. Epp bemerkt, dass fast jeder Este mindestens einen Verunglückten kannte und dass es sich so kurz nach der wiedererlangten Unabhängigkeit nicht besonders angenehm angefühlt hat, dass ein Schiff mit dem Namen des eigenen Landes gesunken war. Ich mag ja eigentlich Symbolik, aber bei solchen Dingen habe ich oft das Gefühl, dass sie übertrieben wird. Immerhin ist Estland ja noch da und schlägt sich, soweit ich das beurteilen kann, ganz gut. Das erste Schiff, das damals zur Rettung eilte und Schiffbrüchige bergen konnte, hieß übrigens wie ich: Mariella.
Wir fahren weiter an einigen ganz klassischen Plattenbauten vorbei. Epp macht wieder Halt und sagt ein paar Sätze dazu. Wiebke und ich nicken wissend; dass die Wohnungen in den Häusern alle gleich geschnitten waren und man sich überall zurecht finden kann, auch wenn man noch nie in genau diesem Gebäude war, das wissen wir – ich aus meiner Greifswalder Zeit und von meinen beruflichen Recherchen, Wiebke deswegen, weil sie gebürtig aus Potsdam kommt. Mir ist das in Berlin auch schon oft aufgefallen, wenn ich Couchsurfer oder Freunde zu Besuch hatte: Man muss alles, was mit Geschichte zu tun hat, sehr zielgruppenorientiert verpacken. Der Neuseeländer hat natürlich zu einer sozialistischen Vergangenheit viel weniger Bezug als wir.
Nun bewegen wir uns langsam aus der Stadt heraus und landen endlich in Kadriorg oder Catherinethal, einem Stadtteil mit wunderschönen kleinen Holzhäusern und grünen Alleen. Zunächst bleiben wir am Wohnhaus von Anton Hansen Tammsaare stehen, einem großen estnischen Realisten und Existenzialisten. Mich kann man mit Schriftstellern natürlich immer ködern, aber Epp spricht so lebendig über sein Leben und sein Werk, dass vermutlich auch ein Bücherwurm Lust bekäme, sein Monumentalwerk „Wahrheit und Gerechtigkeit“ zu lesen. Es hat allerdings fünf Bände.
Nun fahren wir durch einen bezaubernden Park, in dem uns Epp die Grundzüge estnischer Geschichte erklärt. Ich begreife endlich ein bisschen besser, was es mit den deutschen Einflüssen auf sich hat: Überall im Baltikum haben im Mittelalter die Kreuzritter versucht, die heidnischen Stämme zu christianisieren; und da sie zuhause meist schlechter gestellt waren als hier, sind sie geblieben – und auch wenn Estland nie zu einem deutschen Staat gehört hat, waren die Deutschen immer präsent und haben als Baltendeutsche die Kultur mitgeprägt. Die Esten selbst sind dagegen immer Bauern gewesen, und im 19. Jahrhundert, als das nationale Erwachen in ganz Europa um sich griff, begannen auch hier einige kluge Menschen, sich weiterzubilden und für einen estnischen Staat zu streiten. Zu diesem Zeitpunkt gehörte die Region zum Russischen Reich. An den Ersten Weltkrieg schloss sich dann ein Unabhängigkeitskrieg an und 1920 gewann Estland seine Unabhängigkeit und existierte zum ersten Mal als eigenständiger Staat. Dann kamen, wie in den anderen baltischen Staaten auch, die Russen, dann die Deutschen, dann wieder die Russen, und seit 1991 ist Estland da, wo es eigentlich schon vor 150 Jahren sein wollte. Die Geschichte des estnischen Staates ist nicht lang. Die seines Volkes schon.
Wir beobachten den Wachwechsel am Präsidentenpalast. Kaum Zäune, auch keine Besucher, alles sehr verschlafen und hübsch. Wir stehen zu viert da und unterhalten uns darüber, was es für ein lästiger Job sein muss, hier mehrere Stunden zu stehen und sich zu langweilen; und wir sprechen lange über kulturspezifische Vorstellungen von Sicherheit. Undenkbar, das man sich z.B. in den USA so nah vor das Weiße Haus stellen könnte; und in Berlin am Reichstag werden die Sicherheitsvorkehrungen meines Wissens auch immer umfangreicher. Epp erzählt, dass die Enkeltöchter des Präsidenten im Palast mal eine riesige Party gefeiert haben, als der Präsident nicht da war. Der Zugangscode für das Tor hatte vorher per SMS die Runde unter den jungen Leuten in Tallinn gemacht, und die Einrichtung sei hinterher recht ramponiert zurückgelassen worden. Unvorstellbar, aber sympathisch. Sowas passiert schonmal, wenn man Enkeltöchter hat.
Wir sprechen auch über die Preise in Tallinn und über die Krise. Laut Epp hat die Krise in Estland nur mäßig zugeschlagen, es seien sehr früh Gehälter gekürzt und Einsparmaßnahmen gemacht worden. Die Esten beschwerten sich auch über solche Dinge nicht. Nur bei einer Frage seien mal Leute auf die Straße gegangen: Als es um das ACTA ging. Epp sagt: „We are an E-country. You can cut our wages, you can raise the prices, but don’t touch our internet!“ Manchmal muss man eben Prioritäten setzen.
Nun fahren wir ein etwas längeres Stück mit dem Fahrrad zum Song-Festival Gelände. Im Zusammenhang mit dem Nationalen Erwachen entstand das estnische Sängerfest schon im 19. Jahrhundert. Die Anlage ist für die Festivals im heutigen Ausmaß Ende der 1950er Jahre gebaut worden. Alle fünf Jahre singen hier Chöre, gemeinsam kommt der Festivalchor auf bis zu 30.000 Mitglieder. Wir stehen unter der großen Kuppel, Epp spricht nochmals von der Singenden Revolution, von der Bedeutung, die die traditionelle Musik für ihr Land und seine Unabhängigkeit gespielt hat, und ich bin gerührt. Wie wunderbar, wenn sich Menschen durch Musik von Gewaltherrschaft befreien können! Es hört sich natürlich alles sehr romantisch an, und man vergisst die politischen Begebenheiten dabei, aber hier mag ich sie wieder, die große, bewegende Symbolik. An der Seite der Anlage ist eine Plakette, dort steht der Text eines der wichtigsten estnischen Volkslieder, mit dem das Sängerfest traditionell beendet wird. Ian, Wiebke und ich lesen Teile davon vor, Epp muss lachen. Ian hat natürlich die größten Schwierigkeiten, Wiebke und mich, sagt sie, hätte man gut verstehen können. Es hört sich doch sehr skandinavisch an, als sie es nun vorliest, und ist an manchen Stellen dem Deutschen auch sprachverwandt. Epp gibt uns später die Internetseite für Busfahrpläne zur weiteren Planung unserer Reise – sie lautet www.bussireisid.ee, wie niedlich das klingt!
Über den Weg am Rand der Rasenfläche fahren wir auf den Hügel. Von oben sieht die Anlage noch imposanter aus. Ich versuche mir vorzustellen, wie hier alles voller Menschen ist, und wie Musik die klare blaue Sommerluft erfüllt. Es muss unbeschreiblich sein. Eine von den Parkbänken hat Lautsprecher eingebaut – da kommt das Lied, von dem wir eben unten noch sprachen, „Mu isamaa on minu arm“, Mein Vaterland ist meine Liebe. Es hat diese ursprüngliche, getragene Macht und ist wunderschön. Ein Video vom Sängerfest 2004 gibt es hier.
Zum Abschluss geht es noch zum sowjetischen Ehrenmal am Ostseeufer. Die Aussicht hinüber auf das Stadtzentrum über die graublauen Fluten ist weit, offen und herrlich. Der Wind weht, und ich fühle mich aufgehoben in dieser winzigen internationalen Gruppe von liebenswerten Menschen, während mein Blick über die Landschaft schweift. Das Mahnmal selbst ist von jener faschistischen Ästhetik, die man nicht schön finden kann und deren imposantem Eindruck man sich doch nicht entziehen kann. Der Weg zurück in die Stadt führt noch an der Rusalka vorbei, einem Denkmal, das auf fast jeder Ansichtskarte von Tallinn zu sehen ist – Rusalka ist russisch und bedeutet Meerjungfrau, auch diese Statue erinnert an ein Schiffsunglück, aber die Urban Legend behauptet, es handele sich um Lenin mit Flügeln, wie Epp und augenzwinkernd berichtet.  Die Esten haben Humor, das ist nicht zu leugnen.
Unter strahlend blauem Himmel kommen wir wieder am Harju-Hügel an. Wir verabschieden uns voneinander wie alte Freunde. Europa wird immer kleiner, und ich freue mich an dem Gefühl, dass dieses Konzept, dieses Europa, das wir nun seit etwas mehr als 20 Jahren aufbauen und mit dem aufzuwachsen ich das große Glück hatte, uns solche Glücksmomente schenken kann wie diesen Nachmittag.

Tallinn I

Den Übertritt in das dreißigste Land meiner Reisehistorie verschlafe ich, aber auf dem Weg habe ich doch das Gefühl, dass sich die Landschaft verändert. Sie wird noch etwas offener, weiter und grüner. In Tallinn bringt uns ein ausgesprochen netter Taxifahrer zum Hostel – er hat so etwas Verschmitztes, Fröhliches. Vielleicht liegt es daran, dass er uns übers Ohr haut: Die Taxifahrt vier Tage später zurück zum Bahnhof wird für die gleiche Strecke nur die Hälfte des Geldes kosten. Aber das wissen wir noch nicht, als wir bei nordisch-schönem Wetter unsere ersten Eindrücke der estnischen Hauptstadt genießen.
Nach einem kurzen Stopp im minimalistisch ausgestatteten Hostel machen wir einen ersten kurzen Gang in die Innenstadt. Unter einem strahlend blauen Himmel mischen wir uns unter die vielen Menschen. Es ist halb 8 am Abend, aber das Licht wirkt eher wie Spätnachmittag, und die Farbe des Himmels erinnert mich an Dänemark – sie ist von einer besonderen Intensität und einer inneren Kraft. Vor uns tut sich der Marktplatz auf: groß, weit, offen und voller Leben. Ich mag große Freiflächen inmitten einer Stadt, sie lassen mir Luft zum Atmen, zum Erfassen und Verarbeiten.
Die Schönheit der alten Häuser rührt mich an, die vielen Straßencafes und -restaurants sprühen und wuseln darunter im ganzen Glanz des kapitalistischen Konsums. Ich muss den Anblick ein wenig auf mich wirken lassen, bis ich ihn begreifen kann: eine Mischung aus einem dauerhaften Mittelaltermarkt und einer modernen westlichen Großstadt.
Ich bin vorrangig begeistert von der Atmosphäre und dem wunderschönen Stadtbild. Gleichzeitig irritiert es mich, dass vor allen Restaurants Hostessen stehen, die die Passanten abfangen sollen. Es erinnert an die Türkei, nur wird das Anpreisen des eigenen Restaurants hier nicht ganz so aggressiv betrieben. Ich habe diesen Kundenfang auch in Wroclaw und Krakow schon erlebt. Das touristische Gewusel erinnert mich auch an Dubrovnik, wo mich im letzten Jahr die Menschenfülle und die starke Präsenz der englischen Sprache so verärgert hat. Hier stört mich das erstaunlich wenig, und dieser Umstand wundert mich fast ein bisschen. Ich habe vor der Reise schon vermutet, dass mich Tallinn bezaubern wird. Mit manchen Orten geht es mir so, und ich weiß oft nicht genau, woher dieses Gefühl kommt. Überraschenderweise liege ich jedoch meistens richtig. So geht es mir auch hier: Von Anfang an zieht mich Tallinn in seinen Bann, und ich verzeihe der Stadt ihren Kommerz und ihre Touristenfallen. Wir essen zu Abend in einer Seitenstraße des Marktplatzes; Fischsalat und Hummersuppe für teures Geld, aber beides eine absolute Gaumenfreude.
Am nächsten Morgen laufen wir über die Oberstadt wieder ins Zentrum. Wir verlaufen uns kurz zwischen der Newski-Kathedrale und der Treppe in die Unterstadt, werden aber mit einem herrlichen Blick von einem der Aussichtspunkte entschädigt:
Frühstück besorgen wir uns in einer kleinen Delikatessen-Bäckerei, die der Lonely Planet empfiehlt. Wieder ist es erstaunlich teuer, und wir befürchten das schlimmste für unser Budget. Später werden wir lernen, dass Estland seit der Einführung des Euro 2011 eine allgemeine Preissteigerung von 25% erlebt hat. Überdies verdienen viele Tallinner ihr Geld in Helsinki, das nur eine anderthalbstündige Fährfahrt entfernt liegt. Es hilft nicht, sich darüber zu ärgern. Wir verzehren unsere Croissants auf den Stufen an einem der alten Tore in der Stadtmauer in der Sonne, schlendern anschließend ein wenig durch die Stadt und planen die nächsten Tage. Beim Kaffee auf dem Markt stelle ich erschrocken fest, dass meine Kamera nicht da ist. Wiebke und ich teilen uns auf, um die Stationen des Morgens noch einmal abzulaufen. Wir treffen uns wieder, erfolglos. Ich bin mir fast sicher, dass ich die Kamera beim Frühstück auf den Stufen habe liegenlassen, aber dort war sie nicht mehr. Wiebke schlägt vor, noch einmal beim gegenüberliegenden Museum nachzufragen. Ich bin skeptisch und glaube nicht, dass jemand eine gefundene Kamera irgendwo abgibt. Wiebke besteht darauf und zieht noch einmal los, um ihr Glück zu versuchen. Ich warte am Harju-Hügel auf sie. Eine Weile später sagt sie hinter mir meinen Namen. Ich drehe mich um, und sie drückt auf den Auslöser. Tatsächlich ist die Kamera abgegeben worden. Ich bin ein bisschen sprachlos und sehr dankbar.
Es ist spannend mit Wiebke zu reisen. Sie ist in mancherlei Hinsicht doch viel resoluter und auch viel weniger abgeklärt als ich. An anderen Stellen bin ich selbst diejenige, die entspannter und optimistischer denkt. Wir ergänzen uns sehr gut, besonders auch, wenn wir mit Menschen ins Gespräch kommen und Fragen stellen. Wiebke befragt die Leute zur allgemeinen gesellschaftlichen Situation im Land: Kriminalität, Bildungswesen, Emigration. Meine Fragen beziehen sich häufig auf Geschichte, Landessprache und Politik, besonders Minderheitenpolitik. So lernen wir beide viel mehr, als es jede von uns alleine geschafft hätte.
Den Nachmittag verbringen wir in der Sonne auf dem Harju-Hügel.

Die Gegend wurde im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee fast vollständig zerstört. Große Informationstafeln an der unteren Befestigung des Hügels informieren über diesen traurigen Teil der Stadtgeschichte. Russland hat bis in die 1990er Jahre die Bombardierung Tallinns geleugnet und die fast vollständige Zerstörung der Innenstadt den Deutschen angelastet. In der Aufarbeitung wird es so dargestellt, dass die Bombardierung Teil des russischen Plans war, als Befreiungsmacht auftreten und Estland so zum Beitritt zur Sowjetunion zwingen zu können. Der Blick auf die Geschichte ist mir auch hier, wie in Vilnius im Genozidmuseum, etwas zu plakativ. Ich möchte noch besser begreifen, wie die Geschichte hier verlaufen ist, denn im komplizierten Umgang mit der russischen Minderheit in der Region ziehen sich die historischen Fäden eindeutig bis heute fort.

Der Harju-Hügel ist zumindest wieder aufgebaut und als kleine Parkanlage mit einem kleinen Spielplatz und hübschen Holzliegen gestaltet. Wir liegen dort und sind eine Weile nebeneinander jede für sich. Ein junger Vater spielt mit seiner zweijährigen Tochter. Beide sehen blond und nordeuropäisch aus, und der Umgang des jungen Mannes mit dem Kind ist so natürlich und so liebevoll, dass ich die ganze Zeit zuschauen möchte. Die beiden strahlen miteinander eine große Selbstverständlichkeit, fast Alltäglichkeit aus; und gleichzeitig wirkt doch jede Bewegung so, als wäre dieser Augenblick ein ganz besonderer. Es sind diese kleinen Beobachtungen, für die einem das Leben oft nur auf Reisen ausreichend Zeit lässt.Am nächsten Morgen trennen Wiebke und ich uns für ein paar Stunden. Sie geht zu einer kostenlosen Stadtführung mit, die täglich um 12 auf dem Harju-Hügel beginnt. Ich entschließe mich, einmal ein wenig für mich zu sein. Ich muss nachdenken, wirken lassen, schreiben. Ich lege mich in den Hirvepark auf dern frischgemähten Rasen in die Sonne und höre Musik. Etwas abseits erheben sich die Fundamente der Oberstadt, bis zu den Mauertürmen kann man hochgucken.

Tatsächlich habe ich bisher noch nicht viel Zeit gehabt, einfach nur in mich hineinzuhören. Welche Bedürfnisse signalisiert mir mein Körper? Welche Eindrücke haben sich in mein Herz gebrannt? Welche Sehnsüchte haben die Erfahrungen in mir freigesetzt? In Gesellschaft ist es für mich schwerer, diesen Fragen nachzugehen. Ich merke nur in diesem Moment, den Geruch von frischem Gras in der Nase und die strahlende Sommersonne im Gesicht, dass ich mich in Tallinn wohl fühle, ohne dass ich mich anstrengen muss. Zuhause in Berlin verlangt mir die Stadt pausenlose Anstrengungen ab. Hier gibt es Ruhe und Schönheit, und das Reisen bringt die nötige Zwanglosigkeit und Freiheit dazu.
Ich kuschle mich auf meinen Pulli und halte ein paar Gedanken schriftlich fest, Mando Diao schallt aus meinen Kopfhörern. Plötzlich fällt ein Schatten auf mich. Ich erschrecke mich fürchterlich und drehe mich nach allen Seiten, aber ich sehe nicht woher der Schatten kommt. Da spricht jemand mit mir. Ich nehme den Kopfhörer aus den Ohren. „Excuse me?“ sage ich. Ein junger Mann steht neben mir. „I thought you were deed.“ Ich verstehe ihn nicht, habe mich vom Schreck noch nicht erholt und sage etwas unwirsch: „What?“ „Deed,“ wiederholt er und hockt sich hin. „Oh no, I’m not dead, don’t worry, I’m just writing,“ sage ich, und muss nun lachen. Da lächelt auch er. Mit den Worten „OK. Be cool!“ erhebt er sich und setzt seinen Spaziergang fort. Unaufdringlich und höflich, nur besorgt. Die Esten machen bisher einen sehr freundlichen und liebenswerten Eindruck.

An der Stadtmauer entlang wandle ich auf abseitigen Wegen ohne einen jeden Touristen zurück in die Altstadt und treffe mich mit Wiebke. Der Tag hat sehr gut angefangen.

Rīga / Riga

In Riga steigen wir am Freiheitsdenkmal aus und laufen durch die Altstadt zur Daugava, dem grossen Fluss, der die Stadt durchzieht. Ein richtiger, anständiger Strom, wie es Flüsse nur dann sind, wenn sie wenig später ins Meer münden. Mit dem Bus fahren wir zurück zu Martin, nur um gleich wieder aufzubrechen in die so genannte Ruhige Altstadt zum Abendessen in einem wunderbaren Restaurant mit dem auch in Übersetzung hübschen Namen „Fliegender Frosch“. Anschliessend trinken wir ein Bier in einer Kellerkneipe mit einer Liveband, die Folkmusik spielt. Martin bestellt Knoblauchbrot. Serviert wird dunkles Schwarzbrot in dicken Stiften, in Knoblauch und Oel eingelegt und dann angebraten, knusprig und noch warm mit Joghurtdip – himmlisch. Auf dem Weg zum Restaurant, von dort zur Kneipe und schliesslich auch nach hause hat Martin an jeder Ecke etwas zu erzählen über die Geschichte der Stadt und über sein Leben dort. Nach vier Jahren kennt er Riga wirklich gut, und man merkt die Liebe zu seiner Wahlheimat jedem seiner Worte an. 

Am nächsten Morgen schlafen wir aus, irgendwann geht Martin Frühstück holen in einer Beķereja. Das ķ spricht man tj, Betjereja also. Da klingt das Wort beim Reden nicht wie das deutsche „Bäckerei“, aber es sieht so aus, nur niedlicher, und weil ich es am Beispiel von Martins Stammbäckerei lerne, wird das Wort für mich zum Synonym für das beste Frühstück der Reise. Die Käsecroissants haben nicht etwa nur ein bisschen Käse oben drauf, sondern sind großzügig damit gefüllt. Die Creme in den Karamellcroissants ist süß und dick und ergänzt sich so herrlich mit dem luftigen, zarten Blätterteig. Der Kuchen ist gar nicht zu beschreiben, er hat so viele Schichten und eigentlich kann ich morgens gar nicht so viel essen, aber es schmeckt so gut. 
Wir fahren anschliessend mit dem Zug nach Jūrmala an den Ostseestrand. Auf dem Weg von der kleinen Bahnstation durch das Städtchen an den vielen Souvenirständen und Touristenfallen vorbei sprechen fast alle Menschen Russisch. Erst Martin weist uns darauf hin, als er nach einer Weile sagt, er habe noch kein Wort Lettisch gehört. Danach fällt es mir auch auf. Hier kommen wohlhabende Russen zum Urlaubmachen hin. Auf der anderen Seite gibt es die grosse russische Minderheit, die so viel mit Primitivität, Alkohol, Kriminalität und Armut assoziiert wird. Eine schlimme Schere, die da aufgeht. Endlich kommen wir über die kleine Düne zum Strand. 

Es ist der erste Blick auf die Ostsee auf dieser Reise, es ist windig und das Meer braust ungestüm vor uns. Ich muss zumindest einmal die Füße ins Wasser halten, obwohl es ziemlich kalt ist. Aber als das Salzwasser meine Knöchel umspült, freue ich mich wie ein kleines Mädchen. Die Ostsee. Sie ist mein Zuhause-Meer. Eine Weile stapfen wir durch den feinen weissen Sand am Wasser entlang, der Wind pustet uns um die Nasen und wir sind ganz froh, dass wir gegen den Sturm unsere Regenjacken angezogen haben, die uns warm halten. Einen freien, klareren Kopf hat mir so ein Ostseespaziergang noch immer beschert. 

Nach einem kleinen Mittagsschlaf fahren wir gegen Abend mit dem Bus zu einer Freundin, bei der wir im Garten grillen. Alle, die dort sind, gehören wie Martin, Wiebke und ich dem Ehrenamtlichen-Netzwerk von YFU an. Ieva aus Litauen, die uns in Vilnius beherbergt hat, ist extra angereist. Alle anderen sind Letten. Die Gastgeberin des Abends, sie heisst ebenfalls Ieva, hat mit ihrer Familie erst vor Kurzem das Haus in der ruhigen und hübschen Nachbarschaft bezogen. Auf die Frage danach, wie die Nachbarn so sind, antwortet sie zuerst, dass es sich um Letten handelt. Für Wiebke und mich ist das seltsam. Uns wird aber versichert, dass das eine wichtige Information ist, man hätte mit den Russen nur Unruhe in der Nähe; Lärm, Parties, Alkohol. Das bringt mich dazu, über Stereotypen nachzudenken. Sie klingen so vorurteilsbehaftet, diese Sätze, und ich bin mir doch ganz sicher, dass alle Anwesenden ihre Aussagen auf eigenen Erfahrungen aufbauen. Vorurteile entstehen leider nicht von ungefähr, und sicher können alle diese Menschen ihre Vorurteile beseite lassen, wenn sie jemanden kennen lernen, der sie vom Gegenteil überzeugt. Aber sie werden ihn als Ausnahme einstufen, weil sie eine andere Regel gelernt haben, und es ist schwer, eine neue Regel, eine neue Norm durchzusetzen. Es ist auch schwer, solche gesellschaftlichen Spaltungen wie die zwischen Letten und Russen zu überwinden, in denen die einen zu den anderen kaum Kontakt haben. Über dem guten Essen und dem lustig lodernden Lagerfeuer bleiben wir aber nicht bei ernsten Themen. Es ist ein fröhlicher, schöner Abend mit herzlichen, liebenswerten Menschen. 
Am naechsten Morgen treffen wir uns alle nochmal am Freiheitsdenkmal und laufen durch die Altstadt. Der Turbokapitalismus hat auch hier zugeschlagen, es gibt sehr viele stylische Kneipen und einige Werbeplakate auf englisch. Gleichzeitig ist die Altstadt gespickt mit wunderschönen Gebäuden. Gegründet durch einen Bremer Bischoff erinnert mich Riga tatsächlich an Bremen, es gibt sogar einen Roland und eine Statue der Bremer Stadtmusikanten wie vor dem Bremer Rathaus. Leider können wir wegen des Gottesdienstes nicht in den Dom, der von außen eingerüstet ist und dessen imposante Schönheit auf dem großen Domplatz deshalb nicht ganz zur Geltung kommen kann. Das Erbe der Hanse ist an allen Ecken spürbar, vielleicht besonders für ein Hansestadtkind wie mich. Von unbeschreiblicher Schönheit ist das Melngalvju nams, das Schwarzhäupterhaus am Rathausplatz, (lettisch Rātslaukums). 
Backsteingotik von solcher Pracht, dass man die hanseatischen Kaufleute praktisch noch ein- und ausgehen sieht.
Zu einem Ende kommt unser Stadtbummel außerhalb der Altstadt, die laut unseren lettischen Freunden ohnehin von den Einheimischen nicht oft besucht wird – zu voll, zu teuer, zu touristisch. Ist dies eigentlich das Verhängnis jeder schönen Altstadt Europas? Wir zumindest genießen erst noch das Stadtpanorama von der Riga Terasse auf dem Dach eines edlen Einkaufszentrums.
Dann gehen wir ganz kosmopolitisch zum Mexikaner essen. Nebenher läuft der olympische Marathon. In Litauen und Lettland spielt die Olympiade eine ganz andere Rolle als in Deutschland. Jeder Sport, in dem Chancen auf Medaillen bestehen, wird begeistert verfolgt, jede Medaille frenetisch gefeiert. Bei uns geht die Leistung des Einzelnen oft in der Masse unter. Diskuswerfen habe ich bis in Vilnius noch nie geschaut, und dort nur, weil ein Litauer im Finale stand. Zufällig hat ein Deutscher gewonnen. Das hätte ich sonst niemals zur Kenntnis genommen. Nachdem Lettland im Beachvolleyball Bronze gewann, soll auf google die Suchanfrage „Where is“ durch den Vorschlag „Latvia“ automatisch ergänzt worden sein, weil die Abfrage so häufig gestellt wurde. Dafür sind die Olympischen Spiele da: Ein Land präsentiert der Welt sich und seine Leistung. Ich glaube wir vergessen das häufig.
Schließlich kommt der Abschied von neuen Freunden und der Weg zum Busbahnhof. Heute bringt uns der LuxExpress mit WLAN und kostenlosem Kaffee und Tee nach Tallinn. Estland ist das dreißigste Land in der Reisehistorie meines Lebens. Ich bin ein bisschen aufgeregt.

Vilnius

Nach einer erfrischenden Dusche laufen Wiebke und ich zurück in die Stadt und immer der Nase nach die hübschen kleinen Straßen hinauf und hinunter. Der Himmel ist weit und blau über den niedrigen Häuserreihen, und die Altstadt scheint sich kilometerweit zu erstrecken – sie gehört zu den grössten Altstädten in Europa. Der Glockenturm der Sankt Johannis Kirche an der Universität strebt majestätisch gen Himmel, und der kurze Blick in den grossen Innenhof eröffnet eine herrliche Aussicht. Hier zu studieren muss sich schon sehr erhaben anfühlen.Wir laufen zur Kathedrale und setzen uns auf ein Mäuerchen auf dem Vorplatz, um uns gegenseitig aus unseren Reiseführern vorzulesen.

Auf dem Platz ist ein bunt geschmückter Stein in den Boden eintgelassen. An diesem Punkt ging am 23. August 1989 der so genannte Baltische Weg los, eine Menschenkette von 650 Kilometern Länge, die sich von Vilnius über Riga nach Tallinn zog. An ihr nahmen Menschen aus allen drei baltischen Staaten Teil, um an den Nichtangriffs-Pakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion zu erinnern und gegen die sowjetische Okkupation zu protestieren. Wie der Reiseführer es empfiehlt, stellen wir uns jede einmal auf den Stein, drehen uns um 360 Grad und wünschen uns etwas – es soll dann ein Wunder geschehen. Die Idee des Baltischen Weges fasziniert mich maßlos, sie wird mich noch weiter beschäftigen auf dieser Reise.

Anschliessend klettern wir auf den Gediminas-Hügel. Von oben bietet sich erst der Blick nach links auf die Neustadt – modern, verchromt, fortschrittlich. Ein paar Schritte weiter, und man schaut über die alte Wehrmauer nach rechts auf die Altstadt: traditionell, farbenfroh und historisch.

Ein eindrucksvoller Kontrast, vor allem wegen der radikalen Trennung der zwei Seiten dieser Stadt. Neben mir tritt ein Pärchen an die Mauer – es sind mein Tübinger Kollege Daniel und seine Frau Barbara. Europa ist winzig, und die Welt der Slavisten ist es offenbar erst recht. Wir machen einen netten Schnack, die zwei erzählen uns von der Stadtführung, die sie später machen wollen und wir entscheiden uns kurzerhand, uns anzuschliessen. Von der Kathedrale geht es los, die Stadtführerin spricht schnell und ein bisschen hektisch, aber sie hat eine herzliche und gewinnende Art. Daniel und ich entdecken ein paar Ungenauigkeiten oder Fehler, aber Leute wie wir sind ja auch eines jeden Stadtführers schlimmster Albtraum. Zumindest besuchen wir auf diese Weise einige hübsche Ecken in der Stadt, und es beginnt alles langsam, sich zu einem Bild zusammenzufügen. Am besten gefällt mir die Sankt-Annen-Kirche mit ihrer traumhaften backsteingotischen Fassade. Ich habe die Backsteingotik seit meinen Greifswalder Zeiten geliebt, und sie bedeutet mir überall ein Stück Zuhause.

Abends gehen wir mit Ieva und einer Freundin von ihr Pizza essen in Užupis, dem Künstlerviertel von Vilnius. An einer Spiegelwand steht die Verfassung der Republik Užupis, eines Kunstprojekts, in verschiedenen Sprachen. Besonders hübsch sind die Artikel 10 bis 13:

Jeder Mensch hat das Recht, eine Katze zu lieben und für sie zu sorgen.
Jeder Mensch hat das Recht, nach dem Hund zu schauen, bis einer von beiden stirbt.
Ein Hund hat das Recht, ein Hund zu sein.
Eine Katze ist nicht verpflichtet, ihren Besitzer zu lieben, aber muss in Notzeiten helfen.

Der vollständige Text der Verfassung steht hier.

Nach dem Abendessen  sitzen wir auf Ievas Balkon, langsam zieht ein Gewitter herauf, es ist schon ziemlich kühl und windig. Es blitzt in der Ferne, wir reden, trinken Bier oder Wasser und geniessen die etwas unheimliche, gewittrige Stimmung. Plötzlich bricht der Himmel auseinander. Ein riesenhafter Blitz teilt das dunkle Grau über uns für mehrere Sekunden, es sieht aus wie eine einzelne, überdimensionale Feuerwerksrakete. Donner ist immer noch nicht zu hören. Gerade haben wir uns vor lauter Staunen wieder beruhigt, da kommt ein zweiter, noch längerer Blitz. Ein unfassbares Schauspiel, das einem einzelnen kleinen Menschen durchaus die eigene Ohnmacht gegenüber der Natur zu Bewusstsein bringen kann.

Am nächsten Morgen giesst es in Strömen. Wiebke und ich schlafen aus, machen dann einen Spaziergang an der Neris. Am den Ufern sind rote Blumen gepflanzt, die Buchstaben bilden – von Ieva lernen wir später, dass am einen Ufer „Ich liebe dich“ zu lesen ist, am anderen „Ich liebe dich auch“. Wir sitzen anschliessend eine Weile vor der Sankt-Annen-Kirche und unterhalten uns. Für mich ist es neu und anders, die ganze Zeit auf Reisen jemanden um mich zu haben, der mir auch noch so vertraut ist wie Wiebke. Ich verlasse mich nicht so stark auf meine eigenen Eindrücke und bin nicht so sehr von meiner unmittelbar individuellen Wahrnehmung gelenkt. Dafür sieht ein zweites Paar Augen für mich mit und Wiebke weist mich auf Dinge hin, die ich selbst nicht bemerkt hätte.

Wir machen noch einen Abstecher zum Tor der Morgenröte. Als polnisches „Ostra Brama“ ist es mir bekannt, im Kapellchen oben im Torbogen hängt das Bild der Barmherzigen Muttergottes, der Matka Boska Ostrobramska. Sie ist eine der wichtigsten Ikonen in Polen, weil Vilnius früher polnisch war.

Gerade bei unserer Ankunft wird in der Kapelle eine polnische Messe gefeiert. Ich stehe im Torbogen, kann kaum einen Blick auf die Ikone werfen, weil sich die Menschen um mich so drängeln, und dann gibt es sogar eine Kommunion, alle möchten nach vorne und vor dem Bild der Maria den Segen des Priesters empfangen. Die Stimmung ist fast schon angespannt, ich finde sie nicht besonders heilig, geschweige denn erhaben. Wäre die Kapelle leer gewesen, ich hätte sicherlich ganz anders über die Wirkung der Ikone auf mich nachdenken können. So denke ich eigentlich nur darüber nach, wie ich es finde, dass hier nun auf polnisch Gottesdienst gehalten wird. Und ich denke daran, dass die Stadtführerin Adam Mickiewicz, der den Polen als ihr Goethe gilt, zwar nicht dezidiert als Litauer bezeichnet hat, aber wahrlich auch nicht als Polen. Der Streit um ihn ist ein ewiger, Mickiewicz schrieb auf Polnisch, aber eines seiner grössten Werke beginnt mit den Worten „Litwo! Ojczyzno moja!“ – „Litauen, mein Vaterland!“ Litauen ist wie Polen auch katholisch, aber die Menschen sind wohl weitgehend Atheisten. Wie ist es nun für die Litauer, wenn die Polen hier in der Torkapelle ihrer Religion nachgehen? Und welche Abneigungen gibt es hier? Ich bin mir darüber noch nicht ganz im Klaren, aber ich denke an die Ungarn und Slowaken, an das ehemalige Jugoslawien und an das Verhältnis Polens zu Russland und Deutschland. Historischer Hass oder zumindest historische Ressentiments. Überall in Europa scheinen sie tief in den Mentalitäten zu sitzen.

Am Mittwochmorgen besuchen wir das Genozidmuseum. Obwohl ich im Zusammenhang mit dem Wunderstein und dem Baltischen Weg schon im Reiseführer den Begriff gelesen habe, wird mir jetzt zum ersten Mal klar, wie tief der Stachel der sowjetischen Okkupation in den baltischen Ländern sitzt, wie viel Widerstand es gab und wie stark die Jahre des Kalten Krieges als Jahre der Fremdherrschaft empfunden wurden. Noch nie zuvor ist mir in diesem Maße auch die Gegenüberstellung von Nationalsozialismus und Stalinismus begegnet – und vor allem nicht mit einem ganz konkreten Beispiel dafür, dass der Nationalsozialismus das kleinere Übel für ein Land dargestellt hat. Insgesamt finde ich das Museum zu oberflächlich, auch zu subjektiv und emotional gefärbt. Ich fange aber an, mich in die Geschichte dieser Region hineinzudenken und in mir beginnen Fragen zu entstehen, von denen diese erste Reise ins Baltikum noch nicht alle beantworten können wird.

Istanbul genießen

Die Zeitumstellung von Samstag auf Sonntag stellt uns vor schwierige Aufgaben. Julia und ich wissen nämlich beide nicht, ob unsere Handys automatisch umstellen oder nicht, und fragen uns deshalb, auf welche Zeit wir den Wecker stellen sollen. Ohnehin ist es ein ziemliches Chaos damit – am Freitag beim Hinflug eine Stunde vor, Samstag Nacht eine Stunde vor, Montag beim Rückflug wieder eine Stunde zurück. Trotzdem bin ich nicht wirklich müde, als wir am Sonntagmorgen aufbrechen. Es ist eine seltsame Angelegenheit mit der Zeit in dieser Stadt. Sie vergeht anders als anderswo, viel langsamer. Jedesmal, wenn ich auf die Uhr sehe, habe ich das Gefühl, es müssten viele viele Stunden vergangen sein, und meistens ist es höchstens eine. Ich bin darüber immer wieder erstaunt und dankbar. Es heißt ja, dass ich noch mehr Zeit übrig habe, um sie hier zu genießen.
Mit der Tram fahren wir nach Kabataş zum Fähranleger. Eigentlich wollten wir auf die Prinzeninseln, aber die Fähren gehen zu ungünstigen Zeiten. Stattdessen überlegen wir nach Asien überzusetzen, aber wir verstehen das Bezahlsystem nicht und plötzlich ist die Fähre weg. Lange ärgern wir uns darüber nicht, zu schön ist das Wetter und zu herrlich die leichte Brise am Ufer des Bosporus. Wir beschließen, am Ufer nach Norden Richtung Ortaköy zu laufen. Vorbei am Dolmabahçe Sarayı, der von starkem Wachschutz umgeben ist, gelangen wir erstmal nach Beşiktaş.
 Eine schlichte kleine Strandpromenade lädt zum Teetrinken ein, und das tun wir denn auch. Hier spricht der Kellner nur wenig englisch, wir verständigen uns mit den Händen. Ich kann keine Touristen mehr erkennen. Ganz normale Leute laufen an uns vorbei, sitzen neben uns und trinken Tee und schauen auf das Wasser. Nach den zwei starken türkischen Çay ist mir ein bisschen schwummrig, auf dem Weg weiter kaufe ich mir schnell im Starbucks einen Keks – nicht einmal hier wird englisch gesprochen. Irgendwie untergräbt das so nett das Prinzip eines großen internationalen Unternehmens.

In Ortaköy war ich bisher nur bei Nacht, wenn sich die bunten Lichter von der Bosporus-Brücke  im Wasser spiegeln. Ich verbinde mit dem Ort eine besondere Magie. Emre, mein Couchsurfing-Gastgeber hat damals mit ein paar wenigen Worten alles gesagt: „Ah, Istanbul. Great place.“ Mit einem stillen, andächtigen Lächeln und in einem langsamen, bedächtigen Tonfall ausgesprochen klang das wie die größte Liebeserklärung, die ein Mensch einer Stadt machen kann. Als wir nun an der vielbefahrenen Straße Ortaköy immer näher kommen, bin ich wieder ziemlich aufgeregt. Die Bosporus-Brücke erscheint hoch über der Straße wie ein absurdes Stück Zukunft aus einem Science Fiction Film. Als wir nach rechts Richtung Ufer einbiegen, stoßen wir zuerst auf einen kleinen Basar. Er ist angenehmer zu entdecken als der Großen Basar in Sultanahmet. Hier wird man nicht aggressiv umworben, sondern kann auch mal einfach an einem Stand stehenbleiben und gucken. Wir haben inzwischen ziemlichen Hunger, mit drei Kilometern war die Wanderung von Kabataş hierher zwar nicht weit, aber die frische Luft und die Sonne machen großen Appetit.

Wir kaufen uns Kumpir, die leckeren Backkartoffeln, deren Fleisch mit Käse und Butter noch in der Schale zu einem sämigen Kartoffelbrei aufgeschlagen wird und die dann mit Salaten gefüllt werden. Es herrscht ein reges Gewusel um uns, und trotzdem gibt es genug freie Plätze auf den Bänken und Steinstufen am Ufer vor der Moschee, die leider wegen Sarnierung eingerüstet ist. Über uns brausen die Autos nach Asien, und vor uns schlagen leichte Wellen an.
Plötzlich applaudieren die Leute um uns herum und schauen auf die kleine Plattform hinter uns. Da steht ein junges Paar umringt von Menschen und umarmt sich – ein Heiratsantrag. Wir gucken zu, wie sie sich Ringe anstecken. Sie küssen sich nicht, sie halten sich nur fest, und auch das nicht lange, schon werden sie von allen Seiten von ihren Freunden beglückwünscht. Beide strahlen aus dem tiefsten Innern. Trotzdem halten sie eine Distanz, die Julia und mir ein wenig seltsam vorkommt. Sie hat wohl mit der Öffentlichkeit dieses Antrags zu tun, das allein ist vermutlich schon etwas ganz besonderes. Und Ortaköy ist für diese Geste wirklich ein geeigneter, ein wunderschöner Ort, dessen Romantik dennoch nicht so sehr auf der Hand liegt, dass ein Antrag allzu kitschig wirkt. 

Wir schlendern zurück nach Kabataş. Bei Beşiktaş flattern selbstgemachte gelbe Drachen im Wind und stürzen wieder gen Boden. Wir kaufen uns ein Eis. Am Fähranleger zeigt das Thermometer 24 Grad. Ich denke darüber nach, dass es sich so anders anfühlt, mit Julia hier zu sein. Sie sieht Dinge, die ich nicht sehe. Und ihr gefallen andere Dinge als mir. Vielleicht ist es so, dass man jeden Ort, den man zur Gänze erleben will, einmal mit und einmal ohne Gesellschaft erkunden sollte.

Mit der Tram fahren wir wieder nach Eminönü und laufen mehr oder weniger der Nase nach zur Süleymaniye Moschee. Dort war auch ich noch nie. In den kleinen Gassen, gibt es wieder die absurdesten Dinge zu erstehen. Julia kauft hübsche türkische Teegläser mit Untertassen und kleinen Löffeln. Vor vielen Läden stehen große Säcke mit Tabak in unterschiedlichsten Farben. Ein bisschen stelle ich mir vor, dass es so früher in Hamburg in der Speicherstadt ausgesehen haben könnte, nur mit einer größeren Warenvielfalt. Der Muezzin beginnt zu rufen, und wir verlassen das dichteste Getümmel, um über eine kleine Treppe auf eine Straße zu gelangen, die schon von der Mauer des Moschee-Areals begrenzt wird. Hier erstehe ich in einem kleinen Laden noch eine neue Džezva, wie sie auf dem Balkan heißen, oder türkisch: Cezve. Das sind die Kannen, in denen der türkische Kaffee gebrüht wird. Dann klettern wir über eine kurze Treppe in den Vorhof der Moschee. Wir genießen für einen Moment die atemberaubende Aussicht und betreten dann das wunderschöne Gebäude.

Im Gegensatz zur Blauen Moschee wird in dieser um das Tragen eines Kopftuchs gebeten, und die Schuhe müssen natürlich auch ausgezogen werden. Wir betreten das riesenhafte Gebäude, und rechts von uns sitzen in den kleinen abgetrennten Ecken die Frauen und beten – richtig, der Muezzin hat ja gerade erst gerufen. Ganz vorn am Mihrab stehen die Männer. Die Besucher sitzen auf dem Boden. Wir sind mitten ins Gebet geraten, dürfen aber offensichtlich bleiben. Mein Herz schlägt schneller. Ich habe das schon so lange gerne einmal miterleben wollen. Im Schneidersitz mache ich es mir auf dem Teppich bequem. Mein Kopftuch rutscht ein bisschen, ich muss es immer wieder zurechtzuppeln. Das macht mich ein bisschen nervös. Aber schließlich ist der Gesang des Imam von vorne so beruhigend, die Stimmung so friedlich und besonnen, dass auch ich die Ruhe finde, im Moment anzukommen.

Ich befinde mich in einer merkwürdigen Schwellensituation zwischen Beobachten und Mitmachen. Da gibt es so viele Eindrücke, so viele Fragen – warum hängen die kreisförmigen riesenhaften Leuchter so tief, dass man sich an ihnen den Kopf stoßen müsste, wenn man stünde oder liefe? Wie funktioniert dieses System von Stehen, Knien und Verbeugen zu dem Gesang, das dort vorne passiert? Wie fühlen sich die Frauen damit, dass zwischen ihnen und den Männern etwa 50 Meter Distanz liegen, und ihre Räume sogar mit sichtdurchlässigen spanischen Wänden versehen sind? Ist es das Takbir, „allahu akbar“, das ich im Gesang immer und immer wieder ausmachen kann, oder bilde ich mir das ein, weil es die einzigen arabischen Wörter sind, die ich kenne? Neben all diesen Fragen aber ist da die Spiritualität des Augenblicks, die mich zur Ruhe bringt und mich mit Gedanken der Demut und Dankbarkeit erfüllt. Wie glücklich bin ich, dass es diesen Ort, diese Stadt und diese Gefühle gibt!

Abends gehen wir noch einmal Shisha rauchen in dem gleichen kleinen Cafe wie am Abend zuvor. Wir lernen zwei deutsche Mädchen kennen, unterhalten uns den ganzen Abend und bleiben wieder viel länger als geplant. Duman fährt heute nicht nur Tee auf, sondern auch leckeres Gebäck, und er überlässt und eine Shisha kostenlos. Als der Laden fast leer ist kommt er mit einer Tüte an unseren Tisch, lässt uns unsere Teegläser leer trinken, und gießt uns Raki ein. Er bittet uns aber, die Gläser mit den Händen so zu umschließen, dass keiner sehen kann, was darin ist – wegen der Nähe zum alten Sultanspalast und den großen Moscheen Sultanahmets darf er hier keinen Alkohol ausschenken. Aber wer kann eine so fröhliche Einladung schon abschlagen, und er nimmt ja von uns kein Geld dafür. Wir lachen viel und ausgelassen. Weil die letzte Tram schon lange gefahren ist, nimmt Duman uns auf dem Heimweg im Taxi mit und verlangt auch dafür kein Geld von uns. Zwar machen wir uns unterwegs kurz Sorgen, in welche Richtung das Taxi uns bringt, denn es muss in einer riesigen Kurve Sultanahmet umfahren, aber wir landen wohlbehalten an der uns bekannten Straßenecke. Duman verabschiedet uns beide mit einer herzlichen Umarmung. Und meine Skepsis gegenüber hilfsbereiten Menschen ist endgültig gewichen.

Am nächsten Morgen kommen wir noch auf einen letzten türkischen Kaffee und Tee im Shisha-Cafe vorbei, bevor wir zum Flughafen müssen. Tagsüber herrscht eine andere Stimmung – aufgeräumter. Erst jetzt bemerke ich, dass die gepflasterte Straße vor den Terassen voller kleiner bunter Plastik-Mundstücke für die Shishas liegt. Und auch die Kunstgalerie gegenüber kann ich ich jetzt erst richtig schätzen. „Don’t think“ steht dort an der Wand. Ein schönes Motto, wenn man dazu tendiert, die Dinge manchmal zu viel zu reflektieren. Ich habe in den letzten drei Tagen mehr gefühlt und getan als gedacht. Vielleicht liegt darin das große Potential dieser Stadt. Sie erlaubt es mir zu fühlen. Julia und ich sind uns beide einig: Wir waren nicht zum letzten Mal hier.

In Istanbul ankommen

Vor zwei Jahren schrieb ich: 

Istanbul und ich, das ist die ganz große Liebe. 

Die Aussicht auf ein Wiedersehen ist dementsprechend aufregend. Wie begegne ich dieser Stadt nun? Wird alles wieder, wie es war? Will ich das überhaupt? Lernen wir uns ganz neu kennen oder verfolgen wir alte Muster miteinander? Es ist als hätte ich tatsächlich Schmetterlinge im Bauch.
Meine Cousine Julia und ich fliegen gemeinsam von München. Alles geht irrsinnig schnell, ich weiß kaum, wie mir geschieht. Plötztlich sind wir schon da, haben unser Gepäck vom Band genommen und suchen in der Ankunftshalle des Flughafens Atatürk nach unserem Shuttleservice. Aber es gibt die Agentur nicht, die in unseren Reiseunterlagen angegeben ist. Von allen Seiten werden uns Taxis in die Stadt angeboten, aber wir haben unseren Shuttle schon bezahlt. Von einer anderen Agentur leiht uns ein Angestellter mit etwas muffligem Gesicht sein Handy und wir rufen die Notfallnummer an – keiner antwortet. Wir suchen weiter, und ein zweiter junger Mann kommt uns zu Hilfe. Er ruft selbst bei der Nummer an und hat mehr Glück, auf türkisch spricht er mit jemandem und zeigt uns dann den Weg, und dann geht wieder alles ganz schnell. Die Autofahrt in die Stadt mit dem herrlichen Blick auf das Marmarameer ist im Nu vorbei. Kaum habe ich Zeit, darüber nachzudenken, wie skeptisch ich eben am Flughafen den jungen Männern begegnet bin, die uns ihre Hilfe angeboten haben. Mein Alltag in Deutschland scheint mich zynisch zu machen. Ob Istanbul mir die Chance gibt, wieder ein bisschen vertrauensseliger auf das Leben zu blicken?
Das Hotel liegt in Laleli – was für ein herrliches Wort, weich und fließend wie die türkische Sprache überhaupt. Die Gegend ist allerdings nicht besonders türkisch, stattdessen stehen an den Schaufenstern der zahllosen Boutiquen überall Angebote in kyrillischer Schrift – „Wir nehmen auch Rubel“ – und sogar die Straßenverkäufer preisen uns ihre Waren auf Russisch an. Das Hotelzimmer ist klein, einfach und sauber, alles was man braucht. Uns hält es dort nicht lange, wir laufen gleich los. 
An der Universität vorbei geht es auf verschlungenen Pfaden durch kleine Gässchen mit absurdem Verkehr hinüber nach Eminönü – immer Richtung Wasser. Hier hängen in den Schaufenstern ganze ausgeweidete Tiere, der frische Orangensaft wird auf der Straße gepresst, Männer laufen Arm in Arm umher und grüßen sich gegenseitig mit Küsschen und bekopftuchte Frauen bieten Teegläser zum Verkauf. Es gibt unfassbar hässliches Spielzeug, gefälschte Markenartikel und riesige Plastikbeutel mit kleinen Metallteilen, vermutlich zur Herstellung von Schmuck und Gürteln. Julia bemerkt, dass es hier wohl keinen Großhandel gibt, und es scheint wirklich so, als ob die Türken hier in diesen winzigen Lädchen ihren Bedarf an Materialien für ihre eigenen Produkte decken. Ich genieße das Chaos und das pralle Leben, das hier herrscht, und etwas in mir beginnt langsam, sich zu öffnen.
Schließlich erreichen wir die Brücke vom Goldenen Horn, die Galata-Brücke. Der erste Blick auf das türkisblaue Wasser – mein Herz geht wieder ein bisschen auf. Es ist mir diesmal so vertraut, wie die vielen Angler oben auf der Brücke stehen und ihre Angelruten in die Fluten auswerfen. Julia kauft sich einen Döner im Brot, und dann wandern wir langsam über die Brücke nach Beyoğlu. In den zerschnittenen Plastikkanistern, die die Angler neben sich stehen haben, tummeln sich die Fische. Einer windet sich auf dem bloßen Asphalt, der Angler wirft ihn routiniert in seinen Kasten. Tierfreundlich ist das nicht. Ich denke an Taksim und daran, wie dort der frische Fisch in den Auslagen angepriesen wird und so schmackhaft aussieht. Ein unangenehmer Widerspruch.
Auf der Nordseite des Goldenen Horns trinken wir eine Cola in einem Fischrestaurant. Die Möwen kreisen gierig über und neben uns, prächtige Vögel, riesig und elegant. Auf der Mauer stehen ein großer Wasserkanister und eine Flasche mit Seife zum Händewaschen nach dem Fischessen. Wer braucht schon Messer und Gabel, wenn er mit den Fingern essen kann? Eine wohlgenährte junge Katze liegt faul neben uns in der Sonne. Buntes Treiben auf dem Wasser und am Ufer, und gleichzeitig eine große Friedlichkeit. Und dann – ich stoße innerlich einen Jubelschrei aus – ruft der Muezzin zum Gebet. Über das Goldene Horn klingt es von den Minaretten in hin und her. Ich habe mich mehr auf diesen Klang gefreut, als Worte beschreiben können.
Wir laufen dann unten an der Brücke zurück, wo sich ein Restaurant neben das andere reiht. Hier ist schlendern und wandern keine Option mehr; wir eilen, als versuchten wir, uns zu retten. „Lady! Lady! You like the drink? Sit here! I make the drink!“ „You like fish? Lady! Sit! Fresh fish!“ Ich grinse. „No, no. No, no.“ den ganzen Weg entlang. Julia sagt noch höflich „No, thank you!“ Das ständige Werben ist zwar auch ein bisschen anstrengend, aber es amüsiert mich noch immer. Irgendwie gehört es hierher. 
Wieder in Sultanahmet trinken wir in den kleinen Seitenstraßen am Gülhane Park einen Apfeltee und einen türkischen Kaffee. Auch hier werden wir umworben, und hier kommen sie von beiden Seiten gleichzeitig und reden auf uns ein. „Lady, my beautiful roadside terrace, good drink, nice and cold, tea coffee fish!“ „Lady, lady, my garden, my beautiful garden!“ Spontan gehen wir nach links, hier gilt es sich schnell zu entscheiden oder gar nicht – der Gewinner grinst, der Verlierer sagt durchaus gutmütig zu seinem Konkurrenten „I fuck you! I fuck you!“ Mein Kaffee schmeckt nach Fremde und Heimat gleichzeitig. Die bunten Lampen mit den vielen kleinen Glassteinchen baumeln lustig an der Markise, und über die Straße wächst eine knorrige Ranke, die noch kein Grün zeigt. Als es kühler wird, machen wir uns wieder auf den Weg.
Blaue Moschee – Sultanahmet Camii

Bergauf geht es ins Herz von Sultanahmet auf den Platz zwischen Ayasofia und Blauer Moschee. Julia war noch nie in einer Moschee. Ich denke an die Moscheen in Bosnien und Albanien, die ich besucht habe, auch an die in Berlin – alle so unterschiedlich, alle von orientalischer, fremder und wunderbarer Schönheit. So wie die Blaue Moschee ist keine andere gewesen, schon wegen der Größe. Wir werfen einen kurzen Blick hinein. Sehr kurz, denn nach wenigen Minuten werden wir aufgefordert zu gehen, es ist Gebetsstunde. Dennoch: Der weiche Teppich, die Farbenpracht und das lebendige Gewusel geben mir das Gefühl einer fröhlichen Andächtigkeit zurück, das ich auch vor zwei Jahren hier empfunden habe.
Burger King Moschee
Nicht gerade auf dem schnellsten, aber vielleicht tatsächlich auf dem schönsten Weg – vorbei an dem Gebäude, das wir die Burger King Moschee taufen – laufen wir ins Hotel zurück und gehen früh schlafen. 
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück auf der verglasten Dachterasse des Hotels nehmen wir die Tram nach Tophane und laufen an der Straße bis Findikli – hier habe ich vor zwei Jahren am Ufer des Bosporus jeden Morgen Börek und Kaffee gefrühstückt, bevor ich zur Stadterkundung aufgebrochen bin. Wir lassen uns die Sonne auf die Nase scheinen und schauen nach Asien hinüber. Als wir richtig aufgewärmt sind, laufen wir langsame die steile Straße hinauf, nicht ohne bei meinem damaligen Stammbäcker Börek zu kaufen. Er zergeht auf der Zunge, so zart ist er. Der Geschmack des Reisens. Oben gelangen wir an den Taksim Meydani. Schon wieder schlägt mein Herz höher. Etwas an Taksim rührt an bestimmte Orte in meiner Seele, die für ein ganz bestimmtes, überwältigendes Glücksgefühl reserviert sind. Und sie öffnen gerade wieder ihre Türen.

London – City of London, East End, Hyde Park und South Bank

Manchmal hat man seltsame Gründe dafür, einen bestimmten Ort sehen zu wollen. Ich wollte zum Beispiel immer nach Prag. Ich hatte nämlich mit etwa 9 Jahren mal ein Lustiges Taschenbuch, in dem es eine Comic-Adaption von Franz Kafkas „Verwandlung“ mit Donald Duck als Gregor Samsa gab, und dieser Comic begann mit den Worten: „Prag – die goldene Stadt an der Moldau“. Vor meinem inneren Auge sah ich goldene Dächer und einen goldenen Fluss und goldenen Sonnenschein und wollte unbedingt nach Prag. Dieser Wunsch erfüllte sich im Jahr 2007. Nach London wollte ich auch schon sehr lange. Aber nicht wegen der Dinge, von denen ich schon berichtet habe. Ich wollte immer nur zur St. Paul’s Cathedral. Wegen des Disneyfilms „Mary Poppins“, in dem Mary Poppins Jane und Michael das Lied von der uralten Vogelfrau vorsingt, die jeden Morgen auf den Stufen der Kathedrale sitzt und Vogelfutter verkauft.
Eigentlich will ich an diesem Morgen in die Westminster Abbey zum Gottesdienst. Aber dort ist Wachschutz und alles ist voll von Menschen in seltsamen Uniformen, die diese künstlichen steifen Bewegungen machen und häufig eher lustig als ehrfurchterweckend aussehen. Man kommt nur mit einer Karte in den Gottesdienst. Ich pese über verschiedene U-Bahnhöfe und komme etwas außer Atem an der St Paul’s Cathedral an. Der Gottesdienst dort ist noch nicht losgegangen, aber es wird Zeit, deswegen ist mein erster Eindruck des imposanten Bauwerks nicht von der langsamen Freude des Entdeckens geprägt, die ich mir ausgemalt habe. Stattdessen eile ich die Stufen hinauf und lasse mir einen Gottesdienstzettel in die Hand drücken, um dann, endlich langsam, das Kirchenschiff zu durchqueren und schließlich unter der Kuppel zu stehen – und mir schießen die Tränen aus den Augen. Ich bin völlig überwältigt. Ein Kirchendiener fragt mich: „Alright?“ Ich stammle: „It’s so beautiful!“ Der Gottesdienst ist von einer wunderbaren Feierlichkeit, die Kirchenlieder getragener, mächtiger als zuhause, die Predigt dagegen von einer so anmutigen Mischung aus philosophischer Tiefe und lebensnaher Fröhlichkeit, dass ich fast noch einmal weinen muss. Es geht um Gleichheit, und ich gehe glücklicher aus dem Gottesdienst hinaus als ich es vorher war, und wieder ein bisschen idealistischer. Vielleicht mag ich das an der Kirche. Sie nimmt mir den Zynismus, den mir der Alltag aufzwingt.

Ich sitze nach dem Gottesdienst noch eine Stunde vor der Kathedrale um dann gemütlich zum Tower Hill hinüber zu laufen. Vor der Tower Bridge lasse ich ein klassisches Touristenphoto von mir machen von einem freundlichen Passanten, und am Tower Hill bestaune ich die uralten mächtigen grauweißen Mauern von außen. Es ist sehr lebendig hier, Eltern mit Kindern, junge Paare, Freundinnen, ältere Herrschaften, alle sitzen und laufen durcheinander, man hört alle zwei Meter eine andere Sprache und Londons ganze Lebendigkeit wird vor der Kulisse des ewigen alten Steins und der 2000jährigen Geschichte nur noch deutlicher.

Ich treffe mich mit Alexa am Trafalgar Square und wir gehen in Soho Kaffeetrinken, um dann ins East End zu fahren. Unterwegs treffen wir den Tod nicht auf Latschen, sondern auf dem Fahrrad – im Schaufenster des Liberty-Kaufhauses.

  

Im East End reizt ein kleiner Markt mit stylischen Klamotten, Taschen und Hüten zum Einkaufen, ich bin aber zu arm. Wir laufen durch die Brick Lane, anscheinend ist hier ein Festival, von überall kommt laute Musik unterschiedlicher Stilrichtungen. Wir gehen in einen phantastischen Plattenladen, der so viel Stil hat, dass Berlin mir dagegen vorkommt wie ein kleines Provinzstädtchen. Anschließend trinken wir Saft in einer Künstlerbar mit Lichtinstallationen und Filmprojektionen an den Wänden. Einer der Filme hat den Titel „Guilty Pleasure“. Der Schriftzug lautet: „My guilty pleasure is letting my girlfriend cut my toe nails. Don’t tell anyone though.“ Darauf folgt eine Animation mit blauen Füßen, einer Schere und riesigen Zehennägeln. Es ist großartig und ein bisschen abgedreht.

Wir fahren wieder nach Brixton und gehen bei einem kleinen, vollen Vietnamesen essen. Ich sage zu Alexa, dass in Berlin Inder, Vietnamesen und Thailänder doch häufig ziemlich ähnlich sind. Sie guckt mich entgeistert an. „Those are completely different things!“ sagt sie. Dafür gibt es in Berlin gutes türkisches Essen, denke ich mir. Das Curry schmeckt wunderbar, und ich habe danach große Lust, mir in einem Pub um die Ecke noch ein bisschen Jazz anzuhören. Das Pub hat Ähnlichkeit mit Irish Pubs in Deutschland, mit einer großen hölzernen Theke und bemalten Fenstern, die Jazzmusik will so gar nicht dazu passen, aber auch diese Reibung übt ihren besonderen Reiz aus. Wir kommen mit zwei Jungs an unserem Tisch ins Gespräch, einer von beiden macht Stand-up Comedy und redet auch so. Normalerweise, versichert mir Alexa, passiert sowas in London nie, die Leute kümmern sich lieber um sich selbst. Ich erzähle, dass in meinem Reiseführer steht, man solle keine fremden Menschen anlächeln, sie würden einen nur für verrückt halten. Der Comedian sagt: „If it was me, I’d be so grateful, it’d mean that you want to talk! I’d be like: What are your five favorite — food items??“ Der Cider schmeckt gut, und ich bin glücklich, als wir uns durch die sternklare Nacht auf den Weg nach Herne Hill machen.

 
Am nächsten Morgen frühstücken Alexa und ich zusammen Weetabix, dann muss sie zur Arbeit. Ich packe noch gemütlich meine Sachen, nehme einen leisen und fröhlichen Abschied aus der hübschen Straße in Herne Hill und fahre zur Victoria, schließe mein Gepäck ein und nehme den Bus zum Hyde Park. 
Der Park ist so weit und groß, dass man sich tatsächlich fast in ihm verlieren kann. Ich sitze am Serpentine Lake und betrachte die Morgen-Jogger, die Spaziergänger und ein lustiges Pärchen mit ungefähr 12 Hunden. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, es ist ein bisschen kühl und schon herbstlich. Langsam gehe ich über die Brücke zu den Kensington Gardens. Dort steht ein Schild: „DANGER! Shallow water. Do not jump  from the bridge.“ Jemand hat Teile der Schrift weggekratzt, statt „DANGER“ steht sort nun „ANGEL“. Mir gefällt’s. Ich folge dem Ufer des Sees nach Norden und staune über die Fauna, da sind viele verschiedene Enten, Schwäne, von denen einige grau sind und viel schöne als die weißen, Kormorane und Reiher, die unbeeindruckt und stocksteif auf den Planken im Wasser stehen. Am Peter Pan Denkmal bleibe ich kurz stehen. Ich  möchte auch nicht erwachsen werden. Wenn ich reise, ist es leichter, Kind zu bleiben mit einer unbändigen Neugier und Begeisterungsfähigkeit.

 
Von Paddington fahre ich nach Hammersmith, wo ich mich mit Steve zum Mittagessen treffe. Wir sind letztes Jahr zusammen in Montenegro und Albanien gereist. Ich kenne ihn nur mit Shorts und T-Shirt, plötzlich steht er mir mit blauem Nadelstreifenanzug gegenüber. Es braucht keine Minute Eingewöhnungszeit und es ist, als hätten wir uns gestern erst gesehen. Reisen verbindet auf eine ganz besondere Art. Die Sonne scheint, so schön auf den kleinen Platz vor der Deli, das Essen schmeckt und wir sprechen von unseren Leben, die so unterschiedlich sind und von unseren Reiseträumen, die sich so ähneln. Viel zu schnell müssen wir uns wieder verabschieden. 

Nachdem ich vorhin einen verrückten Umweg auf mich genommen habe, weil ich dachte, dass nur die Hammersmith and City tube nach Hammersmith fährt, bin ich auf dem Rückweg mit der District Line in kürzester Zeit wieder in der Innenstadt. Ich fahre bis Embankment und laufe auf die Südseite der Themse hinüber. Herrliche Aussichten tun sich auf, aber die Sonne steht hinter den Houses of Parliament und ich kann sie nur gegen die Sonne photographieren.

 
Also beschließe ich, die Atmosphäre einfach zu genießen und höre eine halbe Stunde den Straßenmusikern zu, die Johnny Cash spielen und singen mit einer Gitarre, einem Cello und einer Kiste, auf der einer Töne produziert wie andere es nicht einmal auf einem vernünftigen Schlagzeug könnten.

Schließlich muss ich doch einmal wieder zum Bus und zum Flughafen fahren. Etwas hat mich nach England gezogen, bevor ich diese Reise unternommen habe, und etwas zieht mich weiter dorthin. Es ist so ganz anders als die melancholisch-entspannte, fröhlich-ausgelassene, tragische und herzliche Schönheit des Balkans. Vielleicht war es Zeit für mich in ein Land zu kommen, das nicht so viele offene Wunden zeigt. Und es ist wirklich wunderbar, einen Ort wie London zu entdecken, den man aus Liedern, aus Texten oder Erzählungen präsent hat, ohne ihn zu kennen. Meine kugelrunden  neugiereigen Kinderaugen sind wenigstens noch nicht, auch und gerade auch im Blick auf London nicht, vollends erwachsen geworden.

London – St. James’s Park, Westminster und Trafalgar Square

Mein Blog hieß zwar bis vor Kurzem „Unterwegs nach Osteuropa“, aber ich kann es unmöglich bleiben lassen, meinen ersten England-Aufenthalt zu beschreiben. Namen sind Schall und Rauch, und meine geneigte Leserschaft möge es mir verzeihen, wenn ich Osteuropa in Zukunft um den Rest der Welt erweitere. Gleichzeitig ist es schwierig, über einen Ort wie London zu schreiben, den so viele so viel besser kennen als ich. Während meines Aufenthalts bemerke ich jedoch, dass ich dankbar dafür bin, London jetzt zum ersten Mal und ganz neu zu entdecken – um es mit Matisse zu sagen: Man darf nicht verlernen, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen. Das geht mir leicht von der Hand in London, ich staune und habe das Gefühl, dass ich von morgens bis abends kugelrunde große Augen mache, die gar nicht genug sehen können von all dem, was mich umgibt.

Chaotische Tage liegen hinter mir, als ich in London aus dem Flieger klettere. 48 Stunden vorher war ich noch in Zagreb und stand in der heißen Morgensonne vor dem imposanten Bahnhofsgebäude. Nun fährt mich ein Bus durch eine sanfte grüne Landschaft, die ich sofort bereit bin, unglaublich englisch zu finden. Schuld sind Jane-Austen- und, oh Schreck, Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen. Der Cockney-Akzent des Busfahrers trägt  ebenfalls zu meiner guten Laune bei. Mein amerikanisches Englisch kommt mir fehl am Platz vor, aber umso lieber höre ich darauf, was die Menschen um mich herum erzählen – nicht wegen der Inhalte, nur wegen des Klangs. Die Umgebung wird schließlich städtischer, wir müssen schon auf Londoner Stadtgebiet sein und ich habe es gar nicht bemerkt. Wir fahren durch Hempstead, überall stehen hebräische Schriftzüge an den Läden, viele jüdische kleine Läden und Delis und das London Jewish Cultural Center ziehen am Fenster vorbei. Jüdische Viertel haben für mich bisher irgendwie hauptsächlich nach Osteuropa gehört. Weiter geht die Fahrt, nun richtig in die Stadt hinein – Baker Street, Marble Arch, endlich Victoria Train Station. Ich steige aus und bin ein bisschen aufgeregt. Langsam wird mir klar, dass ich wieder eine neue Grenze überschritten habe. Ich bin zum ersten Mal in einem neuen Land. Wie ich dieses Gefühl liebe!

Ich schließe meinen Koffer für ein horrendes Geld am Bahnhof ein und kaufe mein Ticket nach Bristol für den nächsten Tag. Alle sagen „Mam“ zu mir, das kommt mir ganz komisch vor. „Thank you, Mam.“ „No Mam, you don’t go to Bristol from here, you go from Paddington, Mam.“ Höflich sind sie, die Engländer. Aber sie lachen wenig. Ich brauche erstmal ein Mittagessen und setze mich in eine Deli auf halbem Wege zwischen Victoria und Buckingham Palace. Es gibt Traditional Welsh Lamb Stew, und es schmeckt wirklich gut, allen Vorbehalten gegenüber der englischen Küche zum Trotz. Anschließend laufe ich  am Buckingham Palace vorbei durch St. James’s Park und bin, wie damals in Istanbul, überrascht, dass im Herzen einer so großen Stadt so eine Friedlichkeit und Ruhe herrschen kann. In der Ferne blitzt zwischen den Bäumen das London Eye auf. Davor stehen viele weiße ehrwürdige große Gebäude, von denen ich noch nicht weiß, wozu sie da sind und was sie da sollen – ich weiß nur, dass sie schön aussehen, schön und mächtig und riesenhaft. London hat nicht die gemütliche, teppichweiche, gastfreundliche Herzlichkeit des Balkans, sondern eine kühle, eine majestätische Schönheit, die es ebenso schafft, mich zu berühren.
An den Churchill War Rooms vorbei laufe ich in Richtung Themse. Da erheben sie sich auch schon vor mir, die Houses of Parliament und Big Ben, der kleiner ist als ich ihn mir vorgestellt habe.

Es geht auf vier Uhr nachmittags zu, um viertel vor spielt Big Ben schon eine kleine Melodie. Als es vier Uhr schlägt, stehe ich mitten auf der Westminster Bridge. Die Glockenschläge donnern über den Fluss, als wollten sie die Stadt in ihren Grundfesten erschüttern. Natürlich habe ich das Wordsworth-Gedicht „Composed Upon Westminster Bridge“ im Kopf, als ich hier stehe.

Earth hath not anything to show more fair:
Dull would he be of soul who could pass by
A sight so touching in its majesty:
This City now doth, like a garment, wear
The beauty of the morning; silent, bare,
Ships, towers, domes, theatres and temples lie
Open unto the fields, and to the sky;
All bright and glittering in the smokeless air.

Never did sun more beautifully steep
In his first splendor, valley, rock, or hill;
Ne’er saw I, never felt, a calm so deep!
The river glideth at his own sweet will:
Dear God! The very houses seem asleep;
And all that mighty heart is lying still!

Ich finde die Stimmung des Gedichts nicht wieder. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht morgens ist. Vielleicht, weil die Stadt überhauptnicht schläft.

Alles ist voller Touristen. Hier stört mich das nicht so sehr, wie es mich in Dubrovnik gestört hat, in eine Stadt wie London gehören einfach viele Menschen, es trägt zum Pulsschlag einer jeden Metropole bei, dass sie laut und geschäftig ist. Und wie viel gibt es zu sehen! Da unterhält sich ein etwas blässlich aussehender Anzugträger mit mausbraunem Haarschopf mit einer jungen Frau in orangenem Filzponcho mit einer wilden lila Mähne. Da versuchen Gehörlose, sich trotz der Menschenmassen mit dem ganzen Körper zu unterhalten und die Aufmerksamkeit ihrer Freunde zu erregen. Über allem dreht sich langsam und unerbittlich das London Eye.

Ich schlendere zur Westminster Abbey hinüber und setze mich eine Weile vor die Kathedrale auf den Rasen. Sie erinnert tatsächlich, wie es der Reiseführer versprochen hat, an Notre Dame de Paris. Der Eintritt ist teuer, ich genieße die Schönheit nur von außen.

Nach einer Weile mache ich mich auf den Weg, erneut an St. James’s Park vorbei, zur Mall und zum Trafalgar Square. Faszinierend finde ich die Sockel an den Ecken des Platzes, von denen nur drei permanent mit Standbildern zweier Generäle und König Georges IV. besetzt sind. Der vierte Sockel trägt derzeit ein überdimensionales Buddelschiff.

Die Hamburgerin in mir freut sich wie ein Schneekönig. Ich setze mich schließlich auf eine der langen Steinbänke, die den Platz säumen, schaue auf die National Gallery und Nelson’s Column, die von vier überlebensgroßen bronzenen Löwen bewacht wird, und lese mein Buch in der untergehenden Sonne. Neben mir sitzt eine spanischsprechende Familie, Eltern mit Zwillingen. Eines der kleinen Mädchen sitzt im Buggy, die andere turnt vor den Eltern herum. Der Vater füttert das sitzende Mädchen mit Erbsen und Mais. Ein Maiskörnchen fällt ihr in den Schoß. Sorgfältig hebt sie es auf und füttert ihre Schwester damit. Die Kinder strahlen.
Einen letzten Zwischenstop unternehme ich noch am Piccadilly Circus. Da steht einer und tanzt Ausdruckstanz mit einer solchen Körperspannung und Anmut, dass der zierliche Engle auf der Säule neben ihm aussieht wie ein Trampeltier. Ich kann mich kaum losreißen.

Schließlich treffe ich Alexa, die ich in Dubrovnik im Hostel kennen gelernt habe und bei der ich übernachten darf, an der Victoria Station und wir fahren zu ihr nach Herne Hill. Sie wohnt mit vier Mitbewohnern in einem entzückenden Cottage. Wir holen im Supermarkt ein kleines Abendbrot und erzählen uns, was uns seit unserem letzten Zusammentreffen alles so zugestoßen ist. Ich sinke nicht besonders spät auf die Matratze und schlafe fast sofort ein, der ganze Tag war aufregend und ereignisreich. Am nächsten Tag wird es nach Bristol gehen.

Trebinje und Dubrovnik

Am naechsten Tag fahre ich mit dem Bus nach Trebinje. Oestlich von Sarajevo beginnt fast sofort eine wunderbare Landschaft – hier sind sie, die gruenen Huegel Bosniens, die ich im Herzen getragen habe. Enge Schluchten, weite Taeler, kleine Staedtchen mit Moscheen oder orthodoxen Kirchen praegen die Landschaft, ich fahre durch die Republika Srpska, man sieht es spaetestens daran, dass die Strassenschilder zum grossen Teil nur in Kyrilliza sind.
Am spaeten Nachmittag erreiche ich Trebinje im suedlichsten Teil der Hercegovina. Meine Couchsurfing-Gastgeberin holt mich an der Bushaltestelle – vielmehr: dem Parkplatz, auf dem der Bus haelt – ab. Sie ist eine deutsche Freiwillige, die hier fuer ein Jahr in einer Einrichtung fuer Behinderte arbeitet. Nach einem kurzen Schnack breche ich gleich wieder auf in die Stadt.

Auf der schoenen Bruecke ueber die Trebisnica schaue ich ins klare Wasser und geniesse die Abendsonne. Neben mir bleibt ein Passant stehen und sagt etwas zu mir, ich verstehe ihn nicht und sage auf bosnisch, dass ich die Sprache nicht kann, und er fragt zurueck, welche Sprache ich denn kann. Deutsch, sage ich, und er antwortet, dass er aus Villingen-Schwenningen kommt. Ausgerechnet, da muss ich schon lachen. Er sei vor vielen Jahren dorthin gegangen als Gastarbeiter und besuche jetzt als Fruehrentner ueber den Sommer seinen Bruder. Ueberhaupt nicht aufdringlich, einfach nur sehr nett und lustig ist das Gespraech, und nach einigen Minuten mache ich mich dann auf den Weg weiter in die Altstadt.
Sie ist klein, schattig, gruen und wunderschoen. Ohne richtig erklaeren zu koennen, warum, erinnern mich die Gebaeude gleichermassen an kroatische Kuestenstaedte und an die anderen mir bekannten Orte in der Hercegovina. Eigentlich muesste ja hier der serbische Einfluss groesser sein. Ueberall die weissen alten kuehlen Steine, und viele viele Baeume. Ich habe den Eindruck, dass hier Palmen, Kastanien und Zypressen nebeneinander wachsen, eine lustige Kombination. Die Kastanien sind vor allem dominant auf dem huebschen Trg Slobode, der Freiheitsplatz. Ich setze mich auf eine Bank und schaue die froehliche Lebendigkeit um mich herum an. Der Platz ist groesser und offener als ich es aus Mostar oder Sarajevo kenne, dadurch hat er nicht die kuschelige Gemuetlichkeit dieser Staedte, aber die Weite, die hier herrscht, ist angenehm, und unter dem Schatten der maechtigen alten Baeume vergisst man die Hitze. Ein Vater spielt mit seinem vielleicht drei Jahre alten Sohn Fussball. Ich strahle den kleinen Jungen an. Der Vater versucht auch mit mir zu reden, immerhin kann ich ganz kurz auf bosnisch bzw. hier heisst das wohl serbisch erklaeren, wo ich herkomme und dass ich zum Urlaubmachen hier bin. Sehr offen sind die Leute hier.
Ich laufe zum Stadtpark hinueber. Ueberall stehen Denkmaeler von Jovan Ducic, dem wichtigsten Sohn der Stadt – ein serbischer Dichter und grosser serbischer Patriot. Im Stadtpark ein denkmal fuer die Opfer des Zweiten Weltkriegs mit sozrealistischer Aesthetik, mir gefaellt das ja.
Zurueck in Richtung des Flusses steht noch ein Denkmal, eine grosse Saeule mit dreieckigem Grundriss, eine Seite ist weiss, eine rot, eine blau, auf dem knubbeligen Sockel steht in kleinen goldenen kyrillischen Buchstaben: Branilacima Trebinja 1991-1996, den Verteidigern von Trebinje. Im ersten Moment frage ich mich kurz, ob die drei Seiten fuer die drei Ethnien stehen, denke dann aber gleich: wohl kaum. Viel zu aufgeklaert. Und dann sehe ich auch, dass das Denkmal so serbisch ist, dass es einen beinahe aufbringen koennte, blauweissrot und christlich. An den Ecken des Sockels laeuft Wasser aus dem Stein, als wuerde er weinen. Die Saeule steht vor einer Mauer, oben auf der Mauer steht ein kleines orthodoxes Kreuz, vor der Mauer stehen sechs schwarze Granittafeln mit den Namen der Toten, einige sind gerade 20 Jahre alt geworden. Die Sonne geht langsam ueber der selbst aus der Ferne so kitschigen orthodoxen Kirche auf dem Huegel ueber der Stadt unter, die Luft wird rosa flimmernd und es ist sehr friedlich. Ich bin sehr froh, dass ich hergekommen bin.

Am naechsten Tag fahre ich morgens mit dem Bus nach Dubrovnik. Ich wollte letztes Jahr so oft herfahren, ich kann gar nicht glauben, dass es dieses Mal klappen soll. Der Busfahrer kommt mir bekannt vor. Ich habe kurz den Eindruck, es koennte derjenige sein, der mich letztes Jahr von Split nach Mostar gefahren hat und mit mir was trinken gehen wollte, dieser hier ist jedenfalls auch kurz davor mir ein aehnliches Angebot zu machen, laesst mich aber dann doch in Ruhe. Im Bus sitzt ausser mir nur ein aelterer Herr. An der Grenze werden wir ewig aufgehalten, weil mein Mitpassagier Medikamente dabei hat, die angeblich in Kroatien verboten sind. Ich halte das fuer eine Massnahme der Grenzer gegen Langeweile, an diesem uebergang passiert bestimmt nie was Spannendes. Dafuer ist der Blick auf die Adria geradezu atemberaubend.

In Dubrovnik muss man vom Busbahnhof mit dem Stadtbus zur Altstadt fahren. Voellig erschoepft komme ich im Hostel an, die Stadt ist schon auf den ersten Blick wunderschoen, aber fuerchterlich ueberfuellt. Ich liege wieder einen Tag flach, irgendwie habe ich mich ein bisschen uebernommen. Am naechsten Tag gehe ich morgens auf den kleinen Markt und es riecht so gut nach Lavendel. Ueberall wird er in kleinen dekorativen Saeckchen verkauft. Ich bleibe stehen und schnuppere in die Luft. Sofort sagt ein Verkaeufer: „You want? My wife make! Good price!“ Ich schaue mir seine Ware kaum einen Bruchteil von einer Sekunde an, da hat er schon die Plastiktuete in der Hand, in die er meinen Einkauf packen will. Sofort suche ich das Weite – aus Prinzip. Ich schaele mich durch die Massen von Tourgruppen mit ihren Reiseleitern, die Regenschirme oder Schilder hochhalten, damit sich die Gruppe nicht verliert. Unter den Arkaden  vor der Orlando-Statue steht eine Musikgruppe – eine junge Frau mit Geige und zwei Maenner mit Gitarre und einer wunderschoenen Querfloete aus schwarzem Holz. Sie spielen barocke Musik, die wunderbar zu der Stadtkulisse passt. Ich setzte mich hinter die Musiker auf den kalten weissen Stein in den Schatten und finde etwas von dem Zauber, der diese Stadt auszeichnet und dessen Ruf ihr vorauseilt. Das Stueck ist zu Ende und es ist, als gaebe es ein lautes Knacken oder das Zersplittern von Glas in meinem Kopf – die Musiker spielen Memories aus Cats, kitschiger geht es kaum. Sicherlich muessen sie die Beduerfnisse der Touristen bedienen, aber mir kommt Dubrovnik in diesem Moment vor wie Disneyland. Ein Spielplatz fuer Erwachsene, und ein Klischee. Sehnsuchtsvoll denke ich an die dalmatinischen Staedte, die ich letztes Jahr ausserhalb der Saison besucht habe. Im April muss es hier wunderbar sein. Weiss die Steine, rot die Daecher, maechtige Stadtmauern und eine fluechtige Erinnerung an Bombennaechte in den Neunzigerjahren – ich schaffe es nicht, das alles aus dem Sumpf von ueberteuerten Restaurants und Unterkuenften, kitschigen Souvenirs und aufdringlichen Verkaeufern herauszuholen. Es bleibt eine vage Ahnung von der Faszination, die Dubrovnik auf viele Besucher ausuebt.
Die Tage in Dubrovnik fliegen auf diese Weise ein bisschen an mir vorbei, ich kann mich nicht ganz auf die Stadt einlassen, ob das an meiner Gesundheit liegt oder nur daran, dass es mir einfach zu touristisch ist, kann ich nicht sagen. Auf dem Weg zum Tourist Office, das mir meinen Shuttle nach Korcula stellt, freue ich mich wahnsinnig auf Ulli und auf ruhige Inseltage.

Mostar, Stolac, Kravice, Pocitelj und Sarajevo

In Split am Flughafen empfaengt mich die Hitze, die ich den Sommer ueber in Berlin vermisst habe. Palmen stehen vor der Ankunftshalle. Die Luft flimmert. Ich teile mit zwei Australierinnen ein Taxi in die Innenstadt und springe fast uebergangslos in den Bus nach Mostar.
Die kroatische Kueste ist mir vertraut mit ihrer sich sanft schlaengelnden Strasse, den vereinzelten Glockentuermen in den kleinen Siedlungen und dem Blick auf ueberfuellte Straende. Verkarstete Berge liegen zu meiner linken, die Adria zur rechten. Noch vor der bosnischen Grenze wird der Himmel langsam dunkler, die Nacht senkt sich auf die Landschaft herab. Nach einer Busfahrt, die mir laenger vorkommt als im letzten Jahr, scheucht mich der Busfahrer in Mostar aus dem Bus. Ich habe diesen Busbahnhof noch nie gesehen. Ich mache mir kurz Sorgen, dass ich in der falschen Stadt ausgestiegen bin. Ein Geisterbahnhof, er sieht aus als waere er noch nicht ganz fertig gebaut, als wuerde hier eigentlich niemals ein Bus halten. Lebendig ist nur die Tankstelle an der Strasse. Ich fasse mir die zwei schwedischen Maedels, mit denen ich mich im Bus unterhalten habe, laufe vor zur Tankstelle, zeige dem Tankwart meinen Mostarstadtplan im Lonely Planet und frage auf bosnisch, wo wir sind. Unbestimmt zeigt er auf eine Gegend im kroatischen Teil der Stadt. Ich frage nach der Altstadt. „Taxi…“ lautet die Antwort. Ich bitte ihn, ein Taxi fuer uns zu rufen, weil wir keine bosnischen Telephone haben, und fuenf Minuten spaeter kommt auch eins. Ich nenne die Adresse von Majdas Hostel, der Taxifahrer weiss gleich bescheid. Die Schwedinnen sagen ihre Adresse, der Taxifahrer kennt sie nicht. Viel spaeter wird mir klar, dass das Hostel der Schwedinnen auf der bosniakischen Seite der Stadt liegt, der Busbahnhof ist neu, er wird auf der kroatischen Seite gebaut, damit Busse aus Kroatien und aus der vornehmlich kroatisch bevoelkerten Umgebung nicht mehr bis in den bosniakischen Teil fahren muessen. Ich bin wieder in die politische Sphaere eingedrungen, die Mostar heisst.
Im Hostel gibt es ein grosses Hallo und herzliche Begruessungen. Wie nicht anders erwartet: Ich fuehle mich, als sei ich nie weg gewesen. Der erste ganze Tag vergeht in entspannter Traegheit. Bosanska kahfa, an den Moscheen in der Altstadt vorbeitroedeln, in kurzes Bad in der reissenden Neretva, um der Hitze zu entfliehen. Abends gehen wir ein Bier trinken auf einer der kleinen Terassen ueber dem Fluss, die den wunderschoenen Blick auf die Bruecke freigeben. Dahinter ist eine Islamschule fertig restauriert, die letztes Jahr noch nicht da war. In meinem Kopf ersetze ich die Klaenge der Balkanmusik durch Bombenlaerm und Kriegsgeraeusche. Alles an diesem Ort ist herzzerreissende Schoenheit und abgrundtiefe Traurigkeit zugleich.
Am naechsten Tag fahre ich mit Brent, Else und Nick aus dem Hostel nach Stolac. Es muss im Krieg voellig dem Erdboden gleichgemacht worden sein, und man sieht deutlich mehr Kriegsschaeden als in Mostar – Einschussloecher an den Waenden, mitunter Haeuser von denen nur noch die Waende stehen. In den Ruinen hinter der Moschee liegen, wie in Vukovar, noch die Bosenfliesen in einem rotweissen Karomuster, ein intakter Fussboden in einem vollstaendig zerschossenen Haus.
Wir klettern ueber verschlungene Pfade einen eindeutig inoffiziellen Weg hoch zur Burg. Eine Herde Ziegen versteckt sich vor der brennenden Hitze in einem der alten Wachtuerme. Sie maehen uns klaeglich an. Weiter nach oben durch das Gestruepp, immer hoeher, bis wir im obersten Burghof ankommen. Hier steht ein ueberdimensionales Steinkreuz, davor ein grosser steinerner Altar. Mich erinnert die Szene an die Chroniken von Narnia und die Szene, in der der Loewe Aslan sich auf dem steinernen Tisch opfert. Die Steine sind neu, und der Putz auch, eindeutig sind diese Dinge hier erst nach dem Krieg hingesetzt worden, um kroatische Besitzansprueche zu demonstrieren. Immerhin ist die Moschee im Tal in sehr gutem Zustand und von aussen entzueckend mit einem kleinen gepflegten Friedhof voller bluehender Rosen. Leider ist sie geschlossen.
Wir fahren durch die Umgebung, schauen uns die grossen Grabsteine der bosnischen Kirche an, die von eben dieser christlichen Bewegung des Mittelalters zeugen. In Mostar gibt es ein altes ausgebombtes Einkaufszentrum, das noch immer ruinoes in der Innenstadt steht und dessen Aussenwaende ebensolche Zeichnungen aufweisen, wie wir sie hier auf den Grabsteinen finden. Die bosnische Kirche ist durchaus Teil der genuin bosnischen Identitaet.
Die bosnische Kirche soll auch Blagaj bereits als heiligen Ort genutzt haben, wo wir ebenfalls noch Halt machen. Heute steht dort die herrliche Tekke, in der ich letztes jahr so viele ruhige friedliche Stunden zugebracht habe. Sie wird durch tuerkische Geldgeber restauriert und man kann nicht hinein, aber die Quelle der Buna ist ein Naturereignis wie eh und je. Dennoch kommt mir der Ort irgendwie entweiht vor durch den Baulaerm, und ich habe auch den Eindruck, dass mehr Restaurants dort geoeffnet haben und alles etwas touristischer geworden ist. Bata versichert mir spaeter, dass dort genauso viele Gebaeude stehen wir letztes Jahr und es schon immer genauso touristisch war wie jetzt. Aber mir wird trotzdem etwas wehmuetig, als ich dort stehe und auf die Tekke hinuebersehe.
Der Weg zurueck nach Mostar fuehrt durch eine trostlose Landschaft. Auf der einen Seite verbrannte Erde, auf der anderen karges Heideland. Ich habe Bosnien gruener in Erinnerung. Ob der lange heisse Sommer die Gegend so ausgetrocknet hat? Ich bin froh, wieder in Mostar anzukommen, die gruene Neretva im Blick. Abends gehen wir mit Hostelgaesten essen. Im Restaurant hoere ich eine Gruppe am Nebentisch aufbrechen, einer der jungen Maenner sagt: „Ajde!“ Mein Herz huepft. Ich bin tatsaechlich wieder auf dem Balkan.
Ich fahre noch einmal mit auf die wunderbare Tagestour, die Bata anbietet. Sie ist etwas anders als im letzten Jahr und umfasst nur noch zwei Orte, darunter die wunderbaren Wasserfaelle in Kravice, an denen wir viel Zeit verbringen. Bata bringt uns diesmal etwas abseits von der Fuelle der Badegaeste in abgeschiedenere Gegenden. Ich springe von einem elf Meter hohen Kliff in das gruene Wasser und schreie dabei laut. Es ist befreiend.
Die zweite Station heisst Pocitelj, und die Schoenheit des Ortes geht mir wieder ans Herz. Die anderen Reisenden erklimmen einen der Festungstuerme der mittelalterlichen Stadt, ich bleibe unten, schaue auf die Moschee hinueber und sehe zu, wie das letzte bisschen Sonnenlicht hinter den Bergen verschwindet.
Am naechsten Morgen geht der Zug in aller Fruehe nach Sarajevo. Ich fuehle mich nicht ganz gesund, habe Magenprobleme und bin sehr muede, ich habe die letzten drei Naechte sehr schlecht geschlafen, weil die Klimaanlage so kalt eingestellt war. In Sarajevo angekommen checke ich im Hostel ein und gehe in dem kleinen Innenhof hinter dem Taubenplatz eine bosanska kahfa trinken. Anschliessend beschliesse ich, mich im Hostel ein bisschen hinzulegen. Nach zwei Stunden wache ich auf, mir ist eiskalt, ich zittere, aber ich fuehle mich heiss an, ich glaube ich habe ein kleines Fieber. Ich gehe direkt schlafen – aus einem schoenen Tag in Sarajevo wird so nichts, aber ich kenne die Stadt ja und bin froh, wenigstens ein bisschen das besondere Flair der tuerkisch gepraegten Innenstadt aufgesogen zu haben. So werde ich hoffentlich wenigstens fit sein fuer die lange Busfahrt nach Trebinje am naechsten Tag.
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